Religionen bestehen aus Glaubensvorstellungen, Werten und Ritualen. Man kann in dem Bereich nichts neues erfinden und dem Volk als Glauben auftischen. Es müssen immer bewährte Elemente enthalten sein, die durch die Tradition geheiligt sind. Deshalb bauen Religionen immer aufeinander auf, aber sie verändern sich natürlich durch innere und äußere Bedingungen - neue benachbarte Volksgruppen, neue Technologien und Wissen, aber auch eine veränderte Objektwelt. Dadurch werden manche Ansichten hinfällig, andere können angepasst werden. Mal geht ein Ruck durch die religiöse Welt, mal vollzieht sich der Prozess schleichend.
Je anpassungsfähiger ein Glaubenssystem ist, desto langlebiger. Man kann versuchen, ein Volk in Unwissenheit und Xenophpobie zu halten, um eine Religion als vorherrschende Institution an der Spitze zu halten, aber auf lange Sicht geht das auch nicht gut (doch bis dahin kann man ohne Ende Ketzer verheizen).
In den Glaubensvorstellungen spiegeln sich menschliche Erfahrungen wider und die sind nun einmal begrenzt, deshalb ist Jesus auch der Sohn Gottes, denn das können wir alle irgendwie verstehen, d.h. ein menschliches Verwandschaftssystem wird in den Glauben eingeführt, damit es zu einem Aha-Effekt des Wiedererkennens kommt. Man kann sich den Gott auch als Kreation auf der Töpferscheibe vorstellen, wenn einem Volk das Handwerkliche eher liegt.
Daneben kommt es zu Übernahmen oder Negierungen fremder Gottesvorstellungen (sehr schön beschrieben bei Claude Lévi-Strauss, Der Weg der Masken): Wird von einer Gruppe die äußere Form übernommen, verkehrt sich ihr Inhalt. Übernimmt man jedoch den Inhalt, verkehrt sich die Gestalt.
Damit kann man z.B. schön erklären, warum gehörnte Götter im Christentum zu Teufeln wurden, die unter Satan subsummiert wurden.
Darüber hinaus gibt es neben der Theologie (die Religion der Tempel und Kirchen) auch einen unauslöschlichen Volksglauben, der sich oftmals gegen Dogmen sperrt, weil sie regional eine enorme Bedeutung erlangt haben. Die katholische Kirche war in dieser Hinsicht sehr "tolerant" und hat eine Unmenge von lokalen Heiligen in ihre Bestände übernommen und in ein christliches Gewand gehüllt, durften diese Gestalten weiterhin angebetet werden. Allerdings mussten sie dabei den Abstieg vom Gott zum Menschen in Kauf nehmen.
Auf dieser großen Spielwiesen aus Traditionen, Glaubensvorstellungen, Ritualen, Wertesystemen und Mythologien werden Religionen gebastelt. Es wird gekämpft - mal gegen Ideen, mal gegen deren Träger die Menschen. Am Ende sind aber die Möglichkeiten, aus denen man schöpfen kann, begrenzt und so kommt es zu den Ähnlichkeiten. Es wäre fatal, wollte man aus diesem Brei eine Wahrheit rekonstruieren, die einst allgemeine Gültigkeit besessen hätte und die von den Menschen vergessen wurde. ich glaube nicht, dass es sie je gab. Religionen sind die Produkte der menschlichen Imagination, die es uns ermöglichen sollen, das Leben zu bestehen, indem sie uns Handlungsmuster vorgeben, mit denen wir versuchen dürfen, das Unbekannte zu meistern.
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