New York warnt vor neuem Aids-Virus
Ein Mann Mitte 40 ist in seinen besten Jahren, heißt es. Aber selten wird in New York einem Mittvierziger, der nicht zugleich Multimillionär, attraktiv und unverheiratet ist, soviel Aufmerksamkeit geschenkt, wie derzeit einem homosexuellen Aids-Patienten. Seinen Name halten die Ärzten geheim, warnen jedoch vor dem gefährlichen Virus-Stamm in seinem Blut, den sie mit 3DCR HIV bezeichnen. Auch das Geschlechtsleben des New Yorkers wird öffentlich diskutiert, weil er Sex mit zahlreichen Männern hatte - ungeschützt und unter Einfluß des Aufputschmittels Meth-Amphetamin. Seine wechselnden Partner könnten ebenfalls infiziert sein.
Grund für den Aufruhr in der nordamerikanischen Metropole ist ein neues Aids-Virus, das die Mediziner jetzt in Blutproben des Mannes entdeckt haben, der im vergangenen Dezember seine erste HIV-Diagnose erhielt. Es handelt sich um einen Erregerstamm, der gegen alle Medikamente der drei üblichen Klassen resistent (3-DCR) ist und ungewöhnlich aggressiv wirkt. So gehen Experten der städtischen Gesundheitsbehörde davon aus, daß die Aids-Erkrankung in diesem Fall bereits zwei bis maximal 20 Monate nach der Infektion ausgebrochen ist, statt erst nach einigen Jahren.
Zum ersten Mal ist ein Bürger der Stadt New York von einem solchen multi-resistenten Aids-Virus betroffen. Zudem ein Patient, der zuvor noch keine Medikamente erhalten hatte, die bei HIV eine Resistenzentwicklung fördern konnten. Für Gesundheitsrat Thomas R. Frieden war es deshalb Zeit, mit einer Pressemitteilung einen "Weckruf" zu starten, um insbesondere bei homosexuellen Kontakten an Safer-Sex-Praktiken zu erinnern und Ärzte in der Stadt aufzufordern, verstärkt aufzuklären. "Der Virus ist sehr Besorgnis erregend", betonte Bürgermeister Michael Bloomberg am Wochenende, der den Stadtbewohnern nahelegte, sich mit den üblichen Maßnahmen vor einer Ansteckung zu schützen. New York müsse aus einem "falschen Gefühl von Sicherheit" wachgerüttelt werden.
Inzwischen werden noch zwei weitere Proben von HIV-Infizierten untersucht. Auch wenn es ein "alarmierender" Einzelfall bleiben sollte, empfehlen Experten wie David Ho, Direktor des Aaron Diamond AIDS Research Centers, die Beobachtung zu verstärken.
"Wichtig wäre es außerdem, die Kontaktpersonen zu finden", erklärt Klaus Korn vom Nationalen Referenzzentrum für Retroviren in Erlangen. Das könnte einerseits deren Behandlung erleichtern und gleichzeitig solide Daten über die Verbreitung des Stammes, seiner Vermehrungsfähigkeit und seiner besonderen Aggressivität liefern. "Normalerweise zeigen resistente Aids-Viren eine geringere Pathogenität. Die Schnelligkeit des Krankheitsausbruchs, von der jetzt berichtet wird, wäre sehr ungewöhnlich." Korn hält nichts von einer Hysterie, aber Berichte über solche resistenten Aids-Erreger sollten seiner Ansicht nach in die Präventionsbotschaften einbezogen werden. "Noch sind Multiresistenzen selten, aber selbst im Raum Erlangen gab es schon einen ähnlichen Fall", sagt Korn.
Eine Frage der Zeit: Je mehr Patienten behandelt werden, desto eher entwickeln Krankheitserreger und so auch Aids-Viren Resistenzen. Etwa ein bis zwei Prozent der Neuinfizierten sind in Deutschland von multiresistenten Erregern betroffen. "Wir beobachten dabei aber zum Glück noch keine dramatische Explosion", sagt Professor Jürgen Rockstroh vom Uniklinikum in Bonn. Für diese seltenen Fälle hätten Mediziner einen sogenannten Fusionshemmer in der Hinterhand, den sie Patienten spritzen können, und weitere Wirkstoffe werden derzeit erprobt. Denn in etwa zwölf bis 14 Prozent der untersuchten Fälle sind die HI-Viren schon unempfindlich gegen bestimmte Medikamente. Und für eine adäquate Behandlung - üblicherweise eine Kombination von drei Wirkstoffklassen -, wäre es deshalb wichtig, die nutzlosen von vorneherein wegzulassen. "Im Moment gehört ein Resistenztest zu Therapiebeginn noch nicht zur Regelleistung der Krankenkassen", kritisiert Rockstroh. Erst wenn die Behandlung versagt, w
erde der Virus untersucht. "Dabei belegen US-Studien eine Kosteneffizienz, wenn Resistenzen in fünf Prozent der Fälle auftreten", so Rockstroh.
Auch Professor Norbert Brockmeyer plädiert für die frühe Resistenztest: "Dann müßten wir nicht erst abwarten, ob die Therapie wirkt." Der Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids sieht in der Zunahme von Resistenzen eine Bedrohung, die man gut im Auge behalten sollte. Gerade weil auch in Deutschland das Sexualverhalten wieder riskanter wird, das zeige die dramatische Zunahme von Syphilis-Infektionen. "Unsere Erfolge mit der modernen Aids-Therapie, die den Erreger in Schach hält, lassen die lebenslange Gefahr vergessen." Wenn im Blut kaum Viren zu finden sind - die Menge im Ejakulat ist ansteckend. Wie schnell ein Mensch an Aids erkrankt, hänge stark von seinem Immunsystem ab, sagen Brockmeyer und Rockstroh. Deshalb müsse man die genaue Untersuchung des New Yorker Falls abwarten. Vieles spreche dafür, daß es sich um einen Sonderfall und nicht um einen neuen Super-Virus handelt.
Quelle: Einsamer Schütze Newsletter
Lieben Gruß Dana Scully