Wären sich diese Herrschaften Experten mal irgendwie, irgendwo wirklich einig, wäre das vielleicht nicht so.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber diese Aussage offenbart in meinen Augen das eigentliche Problem: viele Menschen verstehen Wissenschaft nicht, können ein "wissen wir nicht" nicht akzeptieren und Aussagen nicht auf das gesagte reduzieren. Das merkt man auch immer wieder in den Medieninterviews oder bei politischen Expertenanhörungen. Es muss immer eine klare Antwort geben, entweder direkt oder im Zweifel auch hineininterpretiert. Umgekehrt sind die meisten Wissenschaftler und Experten auch nicht in der Lage, genau diese Unterschiede und Einschränkungen zu vermitteln und wundern sich über die Interpretationen ihrer eigentlich klaren Aussagen, weil die Bestimmtheit einiger Begriffe landläufig viel beliebiger ausfällt. Noch schlimmer, dass diese beiden Sichtweisen keine Fixpunkte sind, sondern mit der Nähe zum jeweiligen Fachgebiet zusammenhängen, was dazu führt, dass der Experte sich auf einem ganz anderen Gebiet plötzlich in der entgegengesetzten Rolle wiederfindet. Das Ganze in Kombination mit der Tatsache, dass alles nur Menschen sind (und einige davon durchaus auch ziemlich eitel, eingebildet oder überheblich) führt zu diesem von dir beschriebenen Bild. Bloß, was ist die Alternative?
Willkürlich sind die Aussagen nicht, auch jene zu den Masken kann jeweils recht klar erklärt werden. Die WHO gibt keine Empfehlung aus, was nicht heißt, dass sie davon abraten, sondern dass fundierte Nachweise über die jeweiligen Vor- und Nachteile fehlen. Die hiesigen Experten konnten anfangs (und können selbst jetzt) zum Teil keine konkreten Aussagen machen, weil viele Informationen über das Virus schlicht nicht existieren. Hier wurde schon mehrfach darüber gesprochen, wie lang die Viren etwa ein Risiko auf verschiedenen Oberflächen bzw. in der Luft darstellen - das sind aber keine gesicherten Fakten, sondern erste Erkenntnisse aus den Laboren, die sich in der Realität bestätigen können oder auch nicht. Wenn man nun zwingend irgendeine konkrete Aussage bekommen möchte, muss man auf die Erfahrungen zurückgreifen. Die sind aber zum einen subjektiv (nicht nur individuell, sondern beispielsweise auch kulturell), zum anderen eben "nur" abgeleitet. Wenn sich ein Coronavirus in neun von zehn Fällen so verhält wissen wir immer noch nicht, ob wir es nicht zufällig mit dem zehnten Fall zu tun haben. Hinzu kommt, dass es bei der Entscheidung nie um einen einzelnen Aspekt geht, die Wissenschaftler häufig aber nur einen einzigen betrachten.
Was nützt es etwa, wenn allgemein das Infektionsrisiko durch eine allgemeine Maskenpflicht um 10% sinken würde, diese aber bei den Menschen gleichzeitig dazu führt, dass sie sich fahrlässiger bei der sonstigen Hygiene oder den Abständen verhalten und das Risiko so in der Summe sogar steigt? Schon gibt es eine widersprüchliche Aussage, an der niemand "schuld" ist. Die Aussage, dass eine Maske (gemeint ist der Mund-Nasen-Schutz) für Gesunde nicht notwendig ist, ist ebenfalls nicht falsch wenn man bedenkt, dass das eigene Ansteckungsrisiko dadurch allen bisherigen Erkenntnissen nach kaum gesenkt wird. Umgekehrt wissen wir aber weder, wer wirklich gesund ist (und auch das musste erst herausgefunden werden, dass es augenscheinlich eine ziemlich große Zahl symptomloser infizierter gibt), noch wie diese ohne Husten/Schnupfen das Risiko für andere erhöhen, noch wie stark durch einen Verzicht solcher Masken der Wille tatsächlich Erkrankter beeinflusst wird, solch einen Schutz zu tragen?
Und jetzt die Frage, was soll man als Experte nun antworten? Vor allem vor dem Hintergrund, und das erwähnt Drosten ja auch, dass die eigene Aussage hinterher von den eigentlichen Entscheidungsträger als Entscheidung verkauft wird, oder zumindest von der Bevölkerung so wahrgenommen wird?