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Sunshine Project Forschung und Fakten über biologische W...

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Biowaffen-Telegramm Nr. 27

Sunshine-Project – 15. April 2004

Neuoffensive zu „Agent Green“ ... Irak und Biowaffen ... Umfrage zu Transparenz ... Milzbrandbriefe ... Vorwürfe ...

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins, der Berghof Stiftung für Konfliktforschung und der grassroots-foundation --

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1. Neue US-Offensive für den Einsatz von „Agent Green“ in Kolumbien

Nach vierjähriger Pause macht das amerikanische Außenministerium jetzt erneut Druck auf Kolumbien und fordert den Einsatz biologischer Waffen zur Vernichtung von Drogen produzierenden Pflanzen. Damit stellt sich die Bush-Administration gegen die Entscheidung des früheren Präsidenten Clinton, der im Jahre 2000 den Einsatz der Anti-Drogen-Pilze in Kolumbien mit einem Verweis auf das Verbot biologischer Waffen stoppen ließ.

Letzte Woche veröffentlichte der kolumbianische Senator Jorge Enrique Robledo einen Brief vom US-Außenministerium an den kolumbianischen Botschafter in Washington, in dem Kolumbien aufgefordert wird, ein Expertenteam zusammenzustellen, um mit US-Experten den Einsatz von pflanzenschädigenden Pilzen (genannt „Agent Green“) zur Zerstörung von Kokapflanzen und Schlafmohn vorzubereiten (siehe im Anhang die englische Übersetzung des Briefes; das spanische Original findet sich unter http://www.sunshine-project.org/agentgreen/mccarthy031003.html).

Der geplante Einsatz von Agent Green hatte im Jahre 2000 weltweit zu Protesten geführt. Einige Nachbarstaaten Kolumbiens haben eigene Gesetze gegen den Einsatz biologischer Waffen im Drogenkrieg verabschiedet, Brasilien protestierte bei Kofi Annan gegen das Projekt, das Europäische Parlament stimmte mit 474:1 gegen den Einsatz, und auch die britische Regierung, die zunächst vergleichbare Projekte in Zentralasien unterstützt hatte, zog sich zurück.
Die Tatsache, dass ein Einsatz der Anti-Drogen-Pilze im blutigen kolumbianischen Bürgerkrieg ohne Zweifel einen Verstoß gegen das Verbot biologischer Waffen darstellt, brachte seinerzeit dann auch den Nationalen Sicherheitsrat der USA auf den Plan und veranlasste Bill Clinton, das Projekt in Kolumbien zu stoppen.

Seitdem hat es nur vereinzelte Versuche von US-Senatoren gegeben, das Projekt wieder zu beleben – Versuche, die jetzt offensichtlich auf offene Ohren in der Bush-Administration stoßen. Es steht zu befürchten, dass die kolumbianische Regierung erneut – wie schon in den Jahren vor 2000 – mit finanziellem Druck dazu gezwungen werden soll, im Krieg gegen Drogen und Terrorismus verbotene biologische Waffen einzusetzen.

Mehr zu Agent Green findet sich auf unserer Internetseite unter http://www.sunshine-project.de/Themen/agent-green.html.


2. Irak: UNMOVIC-Analysen beweisen die Vernichtung von Biowaffen lange vor dem Krieg

Je länger die britisch-amerikanisch-australische Iraq Survey Group (ISG) im Nachkriegs-Irak erfolglos auf der Suche nach Massenvernichtungswaffen ist, desto deutlicher wird, dass die UN-Waffeninspektionen ein außerordentlicher Erfolg waren – und eine Empfehlung für die Einrichtung eines dauerhaften Waffeninspektorats bei den Vereinten Nationen.

Tatsächlich mehren sich die Befunde, dass die UN-Inspektoren von UNSCOM und UNMOVIC die irakischen Programme umfassend aufgedeckt und zerstört haben. Im Anhang des 16. Vierteljahresberichts der UNMOVIC vom 27. Februar 2004 (http://www.unmovic.org) findet sich eine Übersicht über die Art, Anzahl und den Verbleib von Waffen und Munition, die der Irak mit biologischen und/oder chemischen Kampfstoffen bestückt hatte bzw. die dafür vorgesehen waren.

In dieser Aufstellung sind auch aktuellste Laborbefunde erwähnt, mit denen eine der zentralen Fragen nach den irakischen Biowaffen vor dem Irak-Krieg endlich aufgeklärt werden konnte. Der Irak hatte immer behauptet, seine mit Milzbrand bestückten Fliegerbomben vom Typ R-400 bereits 1991 selbst zerstört zu haben. Belege für diese Behauptung gab es bislang keine, deshalb bestand immer der Verdacht, dass der Irak möglicherweise diese Bomben oder zumindest die entsprechenden Tausenden Liter Milzbrandbrühe noch versteckt hält.
Im Februar 2003 gruben irakische Experten unter den Augen der UNMOVIC 104 dieser Fliegerbomben aus. Davon waren acht noch intakt. Von zweien dieser Bomben wurden Proben genommen, in denen jetzt zweifelsfrei auch Milzbrandspuren sowie Reste von Desinfektionschemikalien gefunden wurden.
Damit gewinnt die irakische Behauptung an Glaubhaftigkeit, auch wenn ein solcher Nachweis für sich genommen natürlich noch kein Beweis dafür ist, dass alle Milzbrandbestände wirklich seinerzeit auch vernichtet wurden.
Bestätigt wird dies durch ein ausführliches Interview mit dem ehemaligen Leiter der Iraq Survey Group, David Kay (Arms Control Today, 5. März 2004). Kay sagt in diesem Interview, dass der Verbleib der Kampfstoffe mittlerweile als geklärt gelten kann und dass diese nicht in Waffen verblieben sind. (http://www.armscontrol.org/aca/midmonth/March/Kay.asp)

Vieles spricht dafür, die einmalige Expertise und Inspektionserfahrung der UNMOVIC zu erhalten und für künftige Einsätze auch anderswo auf der Welt bereitzustellen. Ein ständiges Inspektionsteam der Vereinten Nationen könnte entscheidend zu einer besseren Überwachung von Abrüstungsvereinbarungen beitragen und zudem in künftigen Situationen Konflikte vermeiden helfen.
Schweden, Frankreich und England haben bereits eine entsprechende diplomatische Initiative ins Leben gerufen.
Die britische Regierung hat die UNMOVIC im Februar zu einem Trainingskurs nach England eingeladen, um damit demonstrativ die Unterstützung für eine künftige Rolle der UNMOVIC zu signalisieren. Ein weiterer Trainingskurs für Biowaffeninspektoren findet Ende April in New York statt.

Zur künftigen Rolle von UNMOVIC siehe auch unsere homepage http://www.sunshine-project.de.

BND-Informant lieferte Lügenstory über irakische Biowaffenmobile

Einem Bericht der Los Angeles Times vom 28. März 2004 zufolge, beruhten die Behauptungen der US-Regierung, der Irak verfüge über mobile Einheiten zur Produktion von Biowaffen, hauptsächlich auf den Angaben eines einzigen, nun als unglaubwürdig geltenden irakischen Informanten.
Wie bereits im letzten BW-Telegramm berichtet, hatte der US-Geheimdienst nie direkten Kontakt mit dem irakischen Überläufer, der unter dem Codenamen “Curveball” geführt wurde. Jetzt wurde bekannt, dass es sich um einen Informanten des deutschen Bundesnachrichtendienstes handelte. Der BND habe die Informationen von “Curveball” an die CIA weitergeleitet, CIA-Anfragen nach einem direkten Kontakt jedoch aus Quellenschutzgründen stets abgelehnt – eine unter Geheimdiensten durchaus übliche Praxis.

Im Bericht der LA Times wird ein nicht genannter US-Geheimdienstler zitiert, der behaupte, dass der BND dem CIA gegenüber erstmalig im Frühjahr 2000 Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Informanten aufkommen ließ – und zwar nach dem 5. Februar, dem Tag an dem Außenminister Powell seine detaillierte Beschreibung der irakischen Biowaffenmobile dem UN-Sicherheitsrat vorgetragen hatte.
Vertreter des BND bestritten dies laut ZEIT vom 1. April 2004: Sie hätten der CIA schon lange vorher die Berichte von “Curveball” zukommen lassen, inklusive einer deutlichen Warnung, dass Zweifel an der Korrektheit seiner Informationen angebracht seien. (http://www.zeit.de/2004/15/Geheimdienststreit).


3. Umfrage zu Transparenz in der Biowaffen-Abwehrforschung

Anfang des Jahres startete das Sunhine Project in den USA eine große Umfrage zur Transparenz der Biowaffen-Abwehrforschung. Rund 400 mikrobiologische Forschungslabore, die mit gefährlichen Erregern arbeiten wurden angeschrieben und um die Zusendung der letzten Protokolle ihrer Biosicherheits-Komitees gebeten. Damit wird überprüft, ob die Labore die staatlichen Richtlinien zur Transparenz ihrer Arbeit erfüllen. Ziel der Aktion ist es zudem, Vorschläge zu entwickeln, wie Offenheit und Überprüfbarkeit der Biowaffen-Abwehrforschung in den USA verbessert werden können.

Eine erste, vorläufige Auswertung zeigt, dass viele Labore einer öffentlichen Kontrolle ihrer Arbeit mit Misstrauen begegnen. Mehr als die Hälfte der angeschriebenen Labore hat bislang auf die Anfrage des Sunshine Project nicht reagiert. Zudem wurden viele der Protokolle, die dem Sunshine Project zugingen, vorher zensiert, zum Teil ohne dies zu begründen.
Ein Angestellter ging sogar so weit, über Internet Hunderte von KollegInnen aufzurufen, das Sunshine Project beim Justizministerium als potentielle „terroristische Vereinigung“ anzuschwärzen – wegen der Anforderung öffentlicher Dokumente! (Mehr auf der homepage unserer US-KollegInnen unter http://www.sunshine-project.org/biodefense/responses12mar04.html.)

Mit der Universität von Texas führt das Sunhine Project-USA bereits eine länger andauernde Auseinandersetzung über die Veröffentlichung der Protokolle des hauseigenen Biosicherheits-Komitees. Jetzt hat sich die Universität endlich bewegt: Sie kündigte die Ernennung eines neuen Komitees an, das transparenter arbeiten solle als das bisherige. (Mehr in unserer englischsprachigen Presseerklärung unter http://www.sunshine-project.org/publications/pr/pr150304.html; zur Geschichte der Auseinandersetzung siehe auch unsere BW-Telegramme 19, 20, 21 und 22.)


4. Milzbrandbriefe

Das Verleumdungsverfahren, das Stephen J. Hatfill gegen FBI und Generalstaatsanwalt Ashcroft angestrengt hat – weil diese ihn im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Milzbrandbriefen in der Öffentlichkeit als “Person von Interesse” bezeichnet hatten – wird um sechs Monate aufgeschoben. Der zuständige Richter entsprach dieser Bitte der staatlichen Behörden, nachdem er vertrauliche Informationen über den Stand der Ermittlungen zu den Milzbrandattentaten erhalten hatte.
Diese Informationen hätten ihn davon überzeugt, dass die Untersuchung sich gerade in einer entscheidenden Phase befinde, die durch ein öffentliches Verfahren gefährdet werden könne, und dass in absehbarer Zeit mit wichtigen neuen Ergebnissen gerechnet werden könne. (Washington Post, 29. 03. 2004, http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A34674-2004Mar29.html)


5. Vorwürfe
Die kubanische Regierung hat erneute Vorwürfe von US-Staatssekretär John Bolton, dass das Land an der Entwicklung von Biowaffen arbeite, als Kriegspropaganda zurückgewiesen. (Reuters, 31. 03. 2004, http://www.reuters.co.uk/newsPackageArticle.jhtml?type=worldNews&storyID=486564§ion=news)
Die US-Vorwürfe und entsprechende Zurückweisungen durch Kuba sind nicht neu – siehe hierzu unsere BW-Telegramme Nr. 15 sowie 21.


Zeitungsmeldungen zufolge hat der militante Tschetschenenführer Shamil Basayev den russischen Streitkräften vorgeworfen, Chemiewaffen gegen Tschetschenen einzusetzen. Darum behielten sich die tschetschenischen Widerstandskämpfer vor, dieselben Waffen auch gegen Russland anzuwenden. (San Diego Union-Tribune, 30. 03. 2004, http://www.signonsandiego.com/news/world/20040330-0626-russia-chechnya.html)
Laut Kavkaz Center, der Internetseite des tschetschenischen Widerstandes, hat ein tschetschenischer Politiker in einer Rede vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen den Russen ebenso vorgeworfen, chemische und biologische Waffen gegen Tschetschenen einzusetzen. (http://www.kavkaz.org.uk/eng/article.php?id=2622)

Es ist uns aus der Entfernung unmöglich, den Wahrheitsgehalt solcher Vorwürfe zu beurteilen. Die Vermutung liegt nahe, dass derartige Anschuldigungen – egal, wann sie von wem gegen wen erhoben werden – eher Propaganda sind. Andererseits sollten solche Anschuldigungen auch nicht ignoriert werden, da sie nicht zuletzt Hinweise auf politische Kampagnen bzw. Interessenslagen geben. Zudem kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass nicht doch etwas dran ist. Deshalb veröffentlichen wir derartige Vorwürfe, wann immer wir davon erfahren.


6. Diverses

Zeitungsmeldungen zufolge plant das Pentagon Sprühversuche mit Bakterien und Chemikalien auf einem militärischen Übungsgelände in Nevada. Ein Militärsprecher gab an, dass die Versuche der Entwicklung von Nachweisverfahren dienen und lediglich harmlose Erreger bzw. Chemikalien als Simulantien verwendet würden (Pahrump Valley Times, 19. 03. 2004, http://www.pahrumpvalleytimes.com/2004/03/19/news/bio.html).


Der Pestexperte Dr. Thomas C. Butler, der im Januar 2003 für einiges Aufsehen sorgte, weil ihm Pestproben abhanden gekommen waren, ist von einem US-Gericht zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe und der Zahlung von über 53.000 Dollar verurteilt worden. (The New York Times, 11. 03. 2004; mehr über den Fall in unseren BW-Telegrammen Nr, 22 und 23.)


Die US-Regierung hat 75 Millionen Dosen eines neuen, noch in der Testphase befindlichen Milzbrandimpfstoffs bestellt. Der Impfstoffvorrat im Wert von circa 700 Millionen Dollar würde ausreichen, um circa 25 Millionen Menschen zu impfen. Der neue Impfstoff soll reiner sein und damit möglicherweise weniger Nebenwirkungen verursachen als der bislang verwendete.
Einige ExpertInnen kritisieren, dass die Regierung mit dem Kauf nicht wartet, bis die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes nachgewiesen ist und er die erforderliche Lizenz erhalten hat. (Washington Post, 12. 03. 2004, http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A51691-2004Mar11.html)

7. Anhang

DEPARTMENT OF STATE
BUREAU FOR INTERNATIONAL NARCOTICS AND LAW ENFORCEMENT AFFAIRS
WASHINGTON DC
October 3, 2003
Dear Ambassador:
This letter is to request your assistance in the effort to better inform officials of the Colombian Government about research and development advances for the use of mycoherbicides against illicit crops, advanced by the United Nations and the Government of the United States. This will contribute to your Government considering the viability and advisability of a greater study of mycoherbicides in Colombia.
Some members of the US Congress, including the chair of the House International Relations Committee, Henry Hyde, have encouraged the Department of State to work with the Government of Colombia in research and development for the use of mycoherbicides against coca and opium poppy crops. This summer, the Embassy of the United States in Bogotá asked President Uribe if he was interested in using mycoherbicides against illicit crops in Colombia. President Uribe explained that he was ready to learn more and asked that the Department of State instruct his experts of the Colombian Agriculture Institute (ICA).
To prepare for these talks, I hope that you will help identify a small group from ICA or other appropriate officials of the Government of Colombia so that we may invite them to Washington for meetings and talks with a group of experts. I would like to suggest that the delegation of the Government of Colombia be principally composed of agricultural specialists, but that it also include a representative with wider responsibility in the formulation of anti-narcotics policies who has the capacity to present recommendations to President Uribe for future actions.
Thank you for your assistance in this matter. Please don't hesitate to contact me if you require additional information in this or other matters.
Sincerely,
Deborah McCarthy
Deputy Assistant Secretary in Charge


Sunshine Project Deutschland
Jan van Aken/Sabine Schupp
Scheplerstr. 78
22767 Hamburg
Tel: 040/431 88 001
Mobil: 0163/431 88 00
Fax: 01805 060 334 230 75
Email: schupp@sunshine-project.de[/url]
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Biowaffen-Telegramm Nr. 28

Sunshine-Project – 10. Mai 2004

USA: Zentrum zur Entwicklung von Biowaffen geplant ... Pentagon-Berater empfehlen „nicht-tödliche“ C-Waffen ... UN-Resolution gegen Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ... Laborsicherheit: SARS in China ...

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1. Defensivforschung á la Washington: Offensive Experimente an Biowaffen-Abwehrzentrum geplant

Unter dem Deckmantel der Abwehrforschung soll in einem neuen „National Biodefense Analysis and Countermeasures Center“ (NBACC) der USA Biowaffenforschung mit eindeutig offensivem Potential durchgeführt werden.

Die Liste der Forschungsvorhaben – die zufällig in einer im Internet veröffentlichten Powerpoint-Präsentation des stellvertretenden Direktors des NBACC entdeckt wurde – sieht unter anderem die Arbeit an gentechnisch veränderten Erregern, Forschungen zur Umweltstabilität von Erregern, zur Verbreitungsdynamik von Aerosolen sowie zu neuen Formen der Ausbringung und waffenfähigen Aufbereitung von Erregern vor.
Als explizite Aufgabe des NBACC wird das so genannte „Red Teaming“ genannt – das heißt, man versetzt sich in die Rolle eines potentiellen Gegners und versucht all das vorwegzunehmen, was dieser sich an biologischen Waffen ausdenken könnte.
Ganz praktisch bedeutet das nichts anderes als die systematische Entwicklung von biologischen Waffen – unter dem Etikett der defensiven Forschung.

Bereits im September 2001 hatte die New York Times einige derart offensiv ausgerichtete Projekte der US Militärs veröffentlicht. Seinerzeit liefen diese gefährlichen Projekte noch im Geheimen ab – die Bush Administration macht es jetzt zur offiziellen Politik, das Verbot der offensiven Biowaffenforschung mit einem schlichten Verweis auf „Abwehrforschung“ – die nach der Biowaffen-Konvention erlaubt ist – zu umgehen.

Betriebe ein anderes Land solche Experimente, würden die USA nicht zögern, diesem Land die Entwicklung von Biowaffen vorzuwerfen. Die Durchführung solcher Forschungen, gekoppelt mit der Ablehnung jeglicher Verifikationsmaßnahmen für das Biowaffen-Übereinkommen durch die USA, schürt zudem das Misstrauen anderer Länder und erhöht die Gefahr eines neuen biologischen Wettrüstens.

Die Powerpoint-Präsentation mit dem Titel „Leading Edge of Biodefense“ des stellvertretenden Direktors des NBACC, LTC George Korch, war ursprünglich auf der Internetseite des „US Armed Forces Pest Management Board“ veröffentlicht worden (wurde inzwischen dort gelöscht) und ist jetzt einsehbar unter http://www.cbwtransparency.org/archive/nbacc.pdf. Einen informativen Artikel mit kritischen Stimmen gibt es in der Baltimore Sun vom 29. 04. 2004, http://www.baltimoresun.com/news/bal-te.biodefense29apr29,0,6202917.story?coll=bal-home-headlines.


2. Pentagon-Berater empfehlen Entwicklung neuer chemischer Waffen

Das Defense Science Board, eines der einflussreichsten Beratergremien des Pentagons, empfiehlt in einem jüngst veröffentlichten Bericht die Entwicklung von betäubenden Gasen als strategische militärische Waffe gegen Führer von „Schurkenstaaten“ und Terroristen.
Die sogenannten „calmatives“ – Betäubungsmittel oder andere psychoaktive Drogen – könnten sowohl für den gezielten Angriff auf Einzelpersonen als auch für den Einsatz gegen Menschenmengen genutzt werden. Je nach Dosierung haben sie auch eine tödliche Wirkung, wie im Herbst 2002 der Einsatz beim Moskauer Theater-Geiseldrama zeigte.

Das Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) von 1993 verbietet demgegenüber jegliche Art von chemischen Waffen, ob nun tödliches Nervengas oder Betäubungsmittel. Das Defense Science Board ist sich der völkerrechtlichen Implikationen seiner Empfehlung durchaus bewusst und legt dem Pentagon nahe, über eine Aushöhlung und Schwächung des CWÜ nachzudenken.

Mehr hierzu in einer gemeinsamen Presserklärung vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und dem Sunshine Project vom 16. April 2004 unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2004/04_04_16_Pentagon-Berater.html.

Der Bericht des Defense Science Board zu den „Future Strategic Strike Forces“ kann im Internet unter http://www.acq.osd.mil/dsb/fssf.pdf oder unter http://www.bits.de/NRANEU/docs/fssf.pdf heruntergeladen werden.

Tödliches Tränengas
Bei den jüngsten Unruhen im Süden Thailands haben einer Zeitungsmeldung zufolge Soldaten unter Einsatz von Tränengas eine Moschee gestürmt und alle 34 Aufständischen, die sich darin verschanzt hatten, getötet. (New Straits Times, Malaysia, 29. 04. 2004)


3. UN-Resolution gegen Massenvernichtungswaffen in den Händen nicht-staatlicher Akteure

Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig eine Resolution verabschiedet, die verhindern soll, dass so genannte „nicht-staatliche Akteure“ in den Besitz von chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen gelangen können. Bisher gültige internationale Vereinbarungen gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bezogen sich nur auf die staatliche Ebene.
Die Resolution verpflichtet alle 191 Mitgliedsstaaten dazu, gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen, um Produktion, Erwerb, Besitz, Entwicklung, Transport und Nutzung von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen oder Schwarzmarkthändler zu verhindern.

Ein erster Entwurf wurde von den USA im September letzten Jahres eingebracht. China hat erst zugestimmt, nachdem ein Passus, der das Aufbringen und die Durchsuchung von verdächtigen Schiffen auf hoher See erlaubt hätte – eine rechtlich außerordentlich umstrittene Praxis, die im Rahmen der von den USA initiierten „Proliferation Security Initiative“ ausgeübt werden soll (siehe BW-Telegramm Nr. 19 zu Exportkontrollen) – aus dem Resolutionstext gestrichen wurde. (International Herald Tribune, 30. 04. 2004, http://www.iht.com/articles/517925.html)


4. Neuer SARS-Ausbruch in China durch Infektionen im Labor

Einem Bericht der Nature vom 27. April 2004 zufolge gibt es mittlerweile acht neue SARS-Verdachtsfälle in China.
Als erste Person erkrankte am 25. März eine Wissenschaftlerin des Beijing Center for Disease Control and Prevention, in dem das SARS-Virus erforscht wird. Die sechs folgenden mutmaßlichen SARS-Infektionen lassen sich auf den Kontakt mit ihr zurückführen. Als achte Person erkrankte am 18. April eine weitere Wissenschaftlerin des Beijinger Labors. Über 900 Kontaktpersonen der bislang Erkrankten werden nun überwacht.
Eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen des Labors wurde vom chinesischen Gesundheitsministerium und der WHO eingeleitet.

Bereits im September und im Dezember letzten Jahres infizierten sich jeweils ein Wissenschaftler in einem Forschungslabor in Taiwan und einem Labor in Singapur mit dem SARS-Virus.


5. Diverses

Einer Meldung der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur zufolge, wollen iranische Giftgasopfer die USA beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag anklagen, weil die USA den Irak mit den notwendigen Bestandteilen zur Entwicklung seiner Chemiewaffen versorgt hätten.
Der Irak setzte Chemiewaffen in dem von 1980-1988 andauernden Krieg gegen den Iran ein. (http://www.abc.net.au/news/newsitems/s1101510.htm)


In Jordanien wurde eine Gruppe mutmaßlicher Terroristen mit Verbindungen zu al-Qaida festgenommen. Sie sollen mehrere Attentate mit einer Chemie-Bombe und Giftgas vorbereitet haben. Ziele seien u. a. die US-Botschaft in Amman, das Büro des jordanischen Premierministers sowie eine Einrichtung des jordanischen Geheimdienstes gewesen. (Global Security Newswire, 19. 04. 2004, http://www.nti.org/d_newswire/issues/2004/4/19/6beada6a-a271-49f4-b57c-ded7752e42fa.html)
Mittlerweile ist ein Tonband aufgetaucht, worauf sich angeblich ein führendes al-Qaida-Mitglied zu dem geplanten Anschlag auf den jordanischen Geheimdienst bekennt, jedoch die Behauptung, eine Chemiewaffe und Giftgas habe zum Einsatz kommen sollen, als Lüge des jordanischen Geheimdienstes bezeichnet.
Die Authentizität des Tonbandes, auf dem die Stimme von Abu Musab al-Zarqawi zu hören sein soll, konnte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 30. 04. 2004 allerdings nicht verifiziert werden. (http://www.reuters.co.uk/newsPackageArticle.jhtml?type=worldNews&storyID=502258&section=news)


Ein italienisches Gericht hat neun Marokkaner, die wegen der angeblichen Planung eines Giftanschlags auf die Wasserversorgung der US-Botschaft in Rom angeklagt waren, freigesprochen. Die Verhaftung der Männer im Februar 2002 sorgte damals weltweit für Schlagzeilen. (Reuters, 28. 04. 2004, http://www.reuters.com/newsArticle.jhtml?type=worldNews&storyID=4974615)


Rund 150 WissenschaftlerInnen, haben sich in einem Brief an Bürgermeister und Stadträte von Boston gegen die Einrichtung eines Hochsicherheitslabors an der Bostoner Universität ausgesprochen. Der Bau eines solchen Labors stelle eine möglicherweise katastrophale Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der AnwohnerInnen und umliegenden Gemeinden dar. (The Mercury News, 13. 04. 2004)
Auch am Robert-Koch-Institut in Berlin soll ein neues Hochsicherheitslabor entstehen. Bislang gibt es in der Bundesrepublik zwei solche Labore mit der höchsten Sicherheitsstufe vier: am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut und am Marburger Universitätsklinikum. (taz Berlin, 20. 04. 2004, http://www.taz.de/pt/2004/04/20/a0261.nf/text.ges,1)

Lesetipps:

Zur Zukunft der UNMOVIC:
Preserving UNMOVIC: The Institutional Possibilities“ von Trevor Findlay. In: Disarmament Diplomacy, Issue No. 76, March/April 2004; online erhältlich unter http://www.acronym.org.uk/dd/dd76/76tf.htm.


Zu „nicht tödlichen“ Waffen:
„Sanfter Kampf“ von Dr. Ute Schönfelder. In: bild der wissenschaft 5/2004, S. 34-39;
der letzte Bericht des Bradford Non-Lethal Weapons Research Project (BNLWRP), No.5, May 2004, mit einem Kapitel zu „biochemischen“ Waffen, einsehbar unter http://www.bradford.ac.uk/acad/nlw/


Zur Frage, wie eine wirksame europäische Politik gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen aussehen müsste:
„Fighting Proliferation – European Perspectives“ von Mark Smith, Bruno Tertrais und Jean Pascal Zanders. Chaillot Paper 66, December 2003. Die Publikation ist in pdf-Format unter http://www.iss-eu.org/chaillot/chai66e.pdf herunterzuladen.


Zur Geschichte von Bio- und Chemiewaffen:
"Greek Fire, Poison Arrows and Scorpion Bombs" von Adrienne Mayor. Overlook Press, September 2003. Das Buch geht Tausende Jahre zurück und schildert – von Herkules bis Hannibal – den Einsatz biologischer und chemischer Waffen in der Antike
 
Biowaffen-Telegramm Nr. 29
Sunshine-Project – 18. Juni 2004
Tränengas für die Bundeswehr ... Südafrika … Sarinbombe im Irak …Topographie der US-Biowaffen-Forschung … irakischer Raketenschrott in Rotterdam … Selbstkritik der NY Times
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1. Tränengas für die Bundeswehr
Das Bundeskabinett hat am vergangenen Mittwoch (9. Juni 2004) entschieden, die Bundeswehr erstmals in der jüngeren Geschichte auch mit Tränengas für Auslandseinsätze auszurüsten. Die damit verbundene Änderung des Chemiewaffenübereinkommen-Ausführungsgesetzes (CWÜAG) ist in der bis jetzt geplanten Form unzureichend und gefährdet die Rüstungskontrolle chemischer Waffen.
Diese Initiative der Bundesregierung kommt in einer international sehr delikaten Situation, in der die zunehmende Entwicklung von so genannten 'nicht-tödlichen' Chemiewaffen wie Tränengas oder Betäubungsmitteln zu einer großen Gefahr für das Chemiewaffen-Übereinkommen geworden ist.
Der entsprechende Gesetzentwurf wird noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht und soll im Schnellverfahren entschieden werden. Bislang ist in dem Gesetzentwurf weder klar definiert, dass wirklich nur Tränengas und keine anderen chemischen Waffen eingesetzt werden dürfen, noch sind die Einsatzszenarien für einen solchen Einsatz klar auf polizeiähnliche Aufgaben begrenzt.
In der jetzigen Fassung würde dieses Gesetz dem Bestreben einiger Staaten Vorschub leisten, das internationale Chemiewaffen-Verbot auszuhöhlen und selbst in Kampfeinsätzen verschiedenste so genannte 'nicht-tödliche' Chemiewaffen einzusetzen.
Die große Gefahr dieser Entwicklung liegt darin, dass Länder wie die USA diesen deutschen Schritt als Legitimierung für den eigenen Einsatz von Tränengas, Betäubungsmitteln und anderen 'nicht-tödlichen' Chemiewaffen ansehen könnten. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag besonnen reagiert und die notwendigen Klarstellungen und engen Definitionen in den Gesetzentwurf einfügt.
Mehr dazu auf unserer homepage http://www.sunshine-project.de.

2. Neue Dokumente zu Südafrikas Biowaffen-Programm
Im Internet wurde jetzt ein hochinteressantes Dokument zum früheren Biowaffen-Programm Südafrikas veröffentlicht. Dabei handelt es sich um ein Briefing für Nelson Mandela aus dem Jahre 1994, in dem Ursprung, Verlauf und Status Quo des Programms skizziert werden.
Von besonderer Bedeutung ist der Hinweis in dem Briefing, dass viele Dokumente und das Wissen aus dem Programm zusammengestellt und gespeichert wurden. Am 22. April wurde dieses Dokument auf der Webseite http://www.cryptome.org veröffentlicht. Es ist auf Nachfrage auch direkt beim Sunshine Project erhältlich.
Eine umfangreiche Dokumentensammlung zum südafrikanischen BW-Programm wurde jetzt zudem von der ETH Zürich ins Netz gestellt: http://www.isn.ethz.ch/infoservice/secwatch/za_cbw/?menu=14.

3. Sarinbombe im Irak
Zeitungsmeldungen zufolge wurde Mitte Mai eine Sarin-Granate von US-Truppen in Bagdad entdeckt. Sie sei in einer Tasche am Straßenrand deponiert gewesen. Beim Versuch sie zu entschärfen, sei sie explodiert und habe eine kleine Menge des giftigen Gases abgegeben.
Es ist unklar, ob sich der Sarin-Verdacht in späteren Labortests bestätigt hat. Angeblich handelte es sich um ein 155mm Geschoss, nach UNMOVIC-Erkenntnissen hatte der Irak jedoch Sarin ausschließlich in 122mm Munition abgefüllt. Insofern ist die Herkunft dieser Granate unklar.

4. Topographie der US-Biowaffenforschung
Eine Übersichtskarte zur US-Biowaffen-Abwehrforschung auf der Internetseite unserer US-Kolleginnen http://www.sunshine-project.org wurde jetzt aktualisiert. Darauf sind alle bestehenden und geplanten Hochsicherheitslabore der USA sowie Freiluft-Testgelände und andere relevante Einrichtungen verzeichnet.

5. UNMOVIC: Irakischer Raketenschrott in den Niederlanden
Am 28. Mai 2004 veröffentlichte die UNMOVIC ihren 17. Vierteljahresbericht (online unter http://www.unmovic.org). Demnach haben sich auf einem Schrottplatz in Rotterdam Teile von irakischen Raketentriebwerken angefunden. Mindestens 5-12 Raketenmotoren wurden dort verschrottet.
Einige davon waren seinerzeit im Irak von den Inspektoren gekennzeichnet und registriert worden. Vermutlich wurde das Material von Plünderern als hochwertiger Schrott verkauft. Nach einer Meldung auf http://www.nti.org vom 10. Juni hat UNMOVIC seitdem auch auf einem jordanischen Schrottplatz 20 Raketenmotoren irakischen Ursprungs gefunden.

6. Mit der Netzwerktheorie gegen geheime BW-Programme
Am 2. Juni veröffentliche Nature online einen spannenden Artikel über eine Methodik, um anhand von wissenschaftlichen Publikationen geheime Forschungsaktivitäten aufzuspüren. Demnach gibt es für legitime Forschung ein regelhaftes Muster an Kooperationen und Ko-Autorschaften bei wissenschaftlichen Publikationen.
Sobald ein Institut neben der veröffentlichten auch andere, geheime Forschung betreibt, würde sich ein anderes Netzwerk-Muster ergeben. Am Beispiel des früheren sowjetischen Biowaffen-Labors in Obolensk wurde die Methode erfolgreich angewendet.
Da keine Details der Methodik veröffentlicht wurden, ist eine genauere Bewertung der Sinnhaftigkeit und Tragfähigkeit der Methode aus der Entfernung nicht möglich. http://www.nature.com/nsu/040531/040531-1.html.

7. Biowaffen im Irak: New York Times übt Selbstkritik
In einer selbstkritischen Stellungnahme vom 26. Mai haben die Herausgeber der New York Times eingeräumt, dass die Berichterstattung über die angebliche Bedrohung durch die Massenvernichtungswaffen des Irak im Vorfeld des Irak-Krieges einseitig war und in wesentlichen Teilen auf nicht genügend überprüften Informationen von dubiosen Informanten beruhte.
Die Herausgeber nennen zwar keine Namen, aber eine Hauptadressatin ihrer Kritik ist zweifelsohne die Biowaffenexpertin der Times Judith Miller, die sich durch besonders kriegsvorbereitende Artikel hervorgetan hatte.

8. Diverses
• Einer unbestätigten AP-Meldung vom 19. Mai 2004 zufolge hat die kolumbianische Polizei 800 in Zyanid getränkte Blausäure bei linksgerichteten Rebellen in Kolumbien gefunden.
Es ist uns aus der Entfernung unmöglich, den Wahrheitsgehalt solcher Vorwürfe zu beurteilen. Die Vermutung liegt nahe, dass derartige Anschuldigungen – egal, wann sie von wem gegen wen erhoben werden – eher Propaganda sind. Andererseits sollten solche Anschuldigungen auch nicht ignoriert werden, da sie nicht zuletzt auch Hinweise auf politische Kampagnen bzw. Interessenslagen geben. Zudem kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass nicht doch etwas dran ist. Deshalb veröffentlichen wir derartige Vorwürfe, wann immer wir davon mitbekommen.

• In Russland hat sich am 5. Mai eine Wissenschaftlerin im Hochsicherheitslabor des Forschungsinstitutes Vektor mit Ebola infiziert und ist noch im Mai daran verstorben. In einem Artikel in Science (28.5.2004) werden die mehrfachen Laborausbrüche von SARS in Asien näher beleuchtet. In den USA wurden versehentlich aktive, infektiöse Milzbrandbakterien mit der Post verschickt.
Das Forschungslabor eines Kinderkrankenhauses in Oakland bekam eine Sendung vom Southern Research Institut in Alabama, in der die Bakterien als abgetötet deklariert waren. Bei späteren Versuchen stellte sich jedoch heraus, dass die Bakterien noch höchst lebendig und infektiös waren. Die Wissenschaftler in Oakland hatten nicht unter den notwendigen Sicherheitsbedingungen gearbeitet.

• Die USA haben ihre Erklärung im Rahmen der „vertrauensbildenden Maßnahmen“ der Biowaffen-Konvention erstmals im Internet veröffentlicht (http://www.state.gov/documents/organization/32486.pdf). Die Erklärung enthält Informationen über die nationale Biowaffen-Abwehrforschung, vorhandene Hochsicherheitslabore u.ä.m. Bislang hatte nur Australien diese jährlichen Erklärungen veröffentlicht, die deutsche Regierung setzt hier weiterhin auf Geheimhaltung und Intransparenz.

• Zur Ökonomie der Biowaffenforschung: In der April-Ausgabe von Nature Biotechnology (Vol. 22, Nr. 4) wird in zwei umfangreichen Artikeln die ökonomische Seite der milliardenschweren Biowaffen-Abwehrforschung in den USA erörtert. Die lesenswerten Artikel liefern viele Zahlen und Fakten zum „Biodefense“-Etat der USA und speziell zur Impfstoff-Entwicklung.

• Schnelltests zum Nachweis von typischen Biowaffen-Erregern werden jetzt auf ihre Verlässlichkeit und Aussagekraft geprüft. Nach diversen Ringstudien des FBI und der US Centers for Disease Control empfahl das Weiße Haus im Juli 2002, derartige Tests zunächst nicht weiter anzuwenden, da sie nicht verlässlich genug seien und zu häufig falsch-positive Testergebnisse ergeben würden. Nach heftiger Kritik von den Herstellern hat das US-Minsterium für Homeland Security jetzt 1,5 Mio. Dollar für weitere Vergleichstest freigegeben. (Nature, 428:454, 1. 4. 2004)

• Am 19. Mai beschloss der US-Kongress ‚Project Bioshield’, ein 5,6 Milliarden Dollar schweres 10-Jahresprogramm zur Entwicklung und Produktion von Biowaffen-relevanten Medikamenten.


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Biowaffen-Telegramm Nr. 33
Sunshine-Project – 2. November 2004
Irak: Abschlussbericht der US-Inspekteure … Sunshine: Abschlussbericht zur Biosicherheit in den USA … Libyen: Abrüstung verifiziert … Israelische Stinkomben … UK: ‚nicht-tödliche’ Chemiewaffen in der Kritik … Sudan streitet Chemiewaffen-Vorwürfe ab … NGO: Kuba hat keine Biowaffen

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins, der Berghof Stiftung für Konfliktforschung und der grassroots-foundation --

1. Irak: US-Inspekteure legen Abschlussbericht vor
Am 6. Oktober hat die Iraq Survey Group (ISG) nach über 15 Monaten Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak ihren Abschlussbericht vorgelegt. Im Kern stellt der Bericht fest, dass der Irak seine illegalen Waffen größtenteils bereits Mitte 1991 selbst vernichtet hat und danach keine neuen ABC-Waffen oder weit reichende Raketen produziert hat. Der Leiter der ISG, Charles Duelfer, sagte bei der Vorstellung des Berichtes vor einem Senatsausschuss am 6. Oktober: „We were almost all wrong.“

Ein längerer Text zum ISG-Bericht findet sich unten im Anhang an dieses Telegramm. Der Bericht ist im Internet unter http://www.cia.gov/cia/reports/iraq_wmd_2004/index.html verfügbar.

2. Sunshine Project veröffentlicht Studie zur Biosicherheit in den USA
Das Sunshine Project hat seit Anfang des Jahres eine Umfrage zur Transparenz der Biowaffen-Abwehrforschung in den USA durchgeführt. Am 4. Oktober wurde der Abschlussbericht dieser Studie vorgelegt. Er belegt, dass das viel gelobte System der Biosicherheit in den USA äußerst lückenhaft und über weite Strecken kaum existent ist. Dies ist insofern von besonderer Brisanz, als dass dieselben Strukturen jetzt auch für die Sicherheit unter dem Aspekt des Bioterrorismus (biosecurity) zuständig sein sollen.

Der englischsprachige Bericht kann unter http://www.sunshine-project.org/biodefense/ibcreport.html heruntergeladen werden.

3. Libyen: ABC-Abrüstung verifiziert
Nachdem Libyen vor knapp einem Jahr einen vollständigen Verzicht auf ABC-Waffen erklärt hatte, haben jetzt die amerikanischen und britischen Inspektoren in Libyen ihre Arbeit für beendet erklärt und bestätigt, dass Libyen mit ‘großer Wahrscheinlichkeit’ alle Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und weit reichenden Raketen beendet und die Zerstörung der entsprechenden Anlagen vorbereitet hat. Am 20. September 2004 hat das letzte amerikanische Team Libyen verlassen. Die britisch-amerikanischen Inspektionen waren in der Kritik, weil sie parallel zu den völkerrechtlich verankerten Inspektionen von OVCW und IAEA durchgeführt wurden.

Im Dezember wird die OVCW (Organisation zum Verbot Chemischer Waffen) darüber entscheiden, ob Libyen eine frühere Chemiewaffenfabrik in eine zivile pharmazeutische Anlage umwandeln darf. (http://nti.org/d_newswire/issues/2004_10_15.html#289FDF3D).

4. Israel entwickelt Stinkbombe als ‘nicht-tödliche’ Waffe
Im August haben israelische Sicherheitsoffiziere bekannt gegeben, dass Israel eine Stinkbombe zum Einsatz gegen Palästinenser entwickelt. Sie basiert nach Zeitungsberichten auf einer chemisch synthetisierten Variante des Stinktier-Geruches. Die Stinkwaffe soll angeblich perspektivisch die gefährlichen Gummigeschosse ersetzen, deren Einsatz oft auch tödlich endet. Die Waffe, die sich noch in der Entwicklung befindet, soll eine derart penetrante Wirkung haben, dass Kleidungsstücke noch über Jahre danach stinken.

5. USA entwickeln ‘nicht-tödliche’ Chemiewaffen immer weiter
Regelmäßig finden sich neue Hinweise darauf, dass das US-Militär die Entwicklung von so genannten ‚nicht-tödlichen’ Chemiewaffen für militärische Zwecke ungebremst vorantreibt – obwohl sie durch das internationale Chemiewaffen-Übereinkommen verboten sind. Am 30. September hat die US-Armee ein Projekt öffentlich ausgeschrieben, in dem eine Granate mit einer Reichweite über 15km entwickelt werden soll, mit der ‚nicht-tödliche’ Flüssigkeiten eingesetzt werden können. Unter der Ausschreibungsnummer W15QKN-04-X-0819 (Titel: 155mm XM1063 Non-lethal Artillery Engineering Support Contract) wird ein Auftragnehmer für die Herstellung von Prototypen, die Testung von Systemkomponenten und Flugtests gesucht.

Diese Ausschreibung sowie einige weitere neuere Dokumente zum Chemiewaffenprogramm der USA wurden kürzlich auf der Webseite unserer US-Kollegen (http://www.sunshine-project.org) zugänglich gemacht.

6. Großbritannien: ‚Nicht-tödliche’ Waffen in der Kritik
Im Oktober fand wieder die internationale Konferenz zu nicht-tödlichen Waffen statt, die regelmäßig vom Militärmagazin „Jane’s” veranstaltet wird. Diesmal kam es am Veranstaltungsort in Dublin zu Protesten (O-Ton: ‚Shut down the torture fair’ – Macht die Foltermesse dicht). Dabei setzten die Demonstranten auch nicht-tödliche Waffen ein und hinterließen im Foyer des Kongresshotels große Mengen Stinkbomben. Bereits im Vorfeld hatten die Bürgermeister Dublins sich gegen die Konferenz ausgesprochen.

Das Bradford Non-Lethal Weapons Research Project hat am 6. Oktober seinen 6. Forschungsbericht veröffentlicht. Darin sind neben vielen anderen nicht-tödlichen Waffensysteme auch aktuelle Informationen zu den so genannten nicht-tödlichen Chemiewaffen zusammengefasst. Online unter http://www.bradford.ac.uk/acad/nlw/.

7. Sudanesische Regierung streitet Chemiewaffen-Vorwürfe ab
Im vergangenen Telegramm haben wir über Zeitungsberichte informiert, denen zufolge westliche Geheimdienste der sudanesischen Regierung den Einsatz chemischer Waffen vorwerfen. Jetzt hat die sudanesische Regierung in einem Brief an den Direktor der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen (OVCW) diese Vorwürfe als falsch zurückgewiesen (http://www.opcw.org/html/global/press_releases/2k4/pr_arch_2k4_frameset.html).

8. Nichtregierungsorganisation: Keine Hinweise auf Biowaffen in Kuba
In den vergangenen Jahren wurde Kuba wiederholt von der Bush-Administration beschuldigt, ein Biowaffen-Programm zu unterhalten. Nachdem kürzlich bereits eine neue Auswertung durch die US-Geheimdienste zu dem Schluss kam, dass dies nicht gesichert ist, hat jetzt auch eine Nichtregierungsorganisation nach einem Besuch von vier Forschungseinrichtungen in Kuba festgestellt, dass keinerlei Hinweise für Arbeiten an biologischen Waffen vorlägen. Jonathan Tucker vom Center for Nonproliferation Studies in Washington hat Anfang Oktober eine Woche lang militärische biotechnischen Anlagen in Kuba besichtigt und kam zu dem Schluss, dass Kuba zwar die technischen Voraussetzungen für ein solches Programm hätte, aber dass darüber hinaus nichts auf ein Biowaffenprogramm hindeuten würde.

9. Neue Dokumente zum US-Biowaffen-Abwehrprogramm
Unsere Kollegen vom Sunshine Project USA recherchieren kontinuierlich das Programm zur Abwehr von Biowaffen in den USA. Regelmäßig erhalten sie dabei – unter anderem mit Hilfe des Freedom of Information Act – Zugang zu Dokumenten, die interessante Aspekte der amerikanischen biodefense-Aktivitäten beleuchten. Alle Dokumente sind auf den Internetseiten des Freedom of Information Fund (http://www.cbwtransparency.org) öffentlich verfügbar. Kürzlich wurde dort zum Beispiel eine Liste mit 32 Forschungsprojekten eingestellt, die unter dem Codenamen D049 von 1998-2003 am Dugway Proving Ground in Utah durchgeführt wurden. Auf dieser Liste finden sich unter anderem folgende Aktivitäten:

• Untersuchung zur Wirkung von Chemiewaffen auf verschiedene ethnische Gruppen;
• Bewertung von chemischen und biologischen Waffen zur Zerstörung von Materialien;
• Diffusions-Klimatologie im östlichen Mittelmeerraum.

Ein anderes Dokument betrifft das Biowaffenlabor USAMRIID in Fort Detrick, Maryland. Im Zuge der Untersuchungen zu den Milzbrandattacken in den USA 2001 stellte sich heraus, dass verschiedene Bereiche von USAMRIID mit Milzbrandsporen verunreinigt waren. Ein interner Untersuchungsbericht dazu aus dem Mai 2002 ist jetzt bei uns im Internet verfügbar.

10. Leseempfehlungen
• In der Oktober-Ausgabe des American Journal of Public Health ist ein sehr informativer Artikel über die Nachteile der ‚Bioterrorism Preparedness’ Aktivitäten in den USA erschienen (Cohen HW, Gould RM, Sidel VW: The pitfalls of bioterrorism preparedness: the anthrax and smallpox experiences. Am J Pub Health 94:1667).
• Die negativen Folgen der ausufernden Biowaffen-Abwehrforschung in den USA diskutiert Jonathan Tucker in einem sehr lesenswerten Artikel in der Oktober-Ausgabe von Arms Control Today („Biological Threat Assessment: Is the Cure Worse Than the Disease?“).
• Zum Thema Agrar-Terrorismus: "An unaddressed issue of agricultural terrorism: A case study on feed security“, von ME KOsal und DE Anderson, J Animal Sci 82:3394.
• Die British Medical Association hat im Oktober 2004 den Bericht “Biotechnology, Weapons and Humanity II“ vorgelegt (Autor: Prof. Malcolm Dando), in dem die Gefahren eines biologischen Wettrüstens angesichts der Revolution in der modernen Biotechnologie umfassend skizziert werden.

11. Diverses
• 22 Präsident(inn)en von US-Universitäten haben am 9. September 2004 in einem Brief an Condoleza Rice ihre Befürchtung ausgedrückt, dass die geplante Ausweitung von Exportkontrollen auf die Arbeit von auswärtigen Wissenschaftler(inne)n aus bestimmten Ländern negative Folgen für die amerikanische Forschung haben könnte. Geplant ist, dass künftig Forscher(innen) aus ‚countries of concern’ – dazu gehören unter anderem auch China, Russland und Indien – eine Lizenz benötigen, wenn sie in US-Labors mit bestimmten Geräten arbeiten, die einer Ausfuhrkontrolle unterliegen (Nature 431:615).

• Die Klage von drei Bürgerinitiativen gegen ein neues Hochsicherheitslabor in den Rocky Mountain Laboratories (USA) wurde mit einem Vergleich abgeschlossen. Ihnen wurde unter anderem zugesagt, dass alle Ärzte und Ärztinnen der Umgebung alle zwei Jahre eine Liste mit allen Erregern erhalten, mit denen in dem Labor gearbeitet wird, und dass in dem Labor keine Erreger zu biologischen Waffen verarbeitet werden (so eine Presseveröffentlichung der Bezirksregierung von Missoula).

• Das US Außenministerium hat ein Fact Sheet über die so genannte BioIndustry Initiatve veröffentlicht. Diese Initiative zielt auf eine Transformation der früheren Biowaffen-Forschung in Russland durch die Vermittlung von Partnerschaften russischer Einrichtungen mit US-amerikanischen Pharmafirmen (http://usinfo.state.gov).

• Das US-amerikanische Department of Homeland Security hat für 5 Millionen Dollar eine (fast) verlassene Stadt in New Mexico gekauft, um dort Antiterror-Trainings durchzuführen und den Einsatz von Biowaffen zu simulieren (BBC 27.9., http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/1/hi/world/americas/3693366.stm).

12. Anhang – Der Abschlussbericht der Iraq Survey Group
Am 6. Oktober hat die Iraq Survey Group (ISG) nach über 15 Monaten Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak ihren Abschlussbericht vorgelegt. Im Kern stellt der Bericht fest, dass der Irak seine illegalen Waffen größtenteils bereits Mitte 1991 selbst vernichtet hat und danach keine neuen ABC-Waffen oder weit reichende Raketen produziert hat. Der Leiter der ISG, Charles Duelfer, sagte bei der Vorstellung des Berichtes vor einem Senatsausschuss am 6. Oktober: „We were almost all wrong.“

Der Bericht widerlegt umfassend und unzweideutig die früheren Behauptungen der britischen und US-amerikanischen Regierungen, nach denen der Irak auch nach 1991 über umfassende Waffenarsenale und –programme verfügte, und nicht nur über die Absicht, solche zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzulegen. Er zeigt auch, dass die UN-Waffeninspekteure der UNSCOM (1991-1998) und UNMVOVIC (seit 1999) sehr gute Arbeit im Irak geleistet und alle relevanten Fakten umfassend ermittelt haben.

Die Zerstörung der Waffen(programme) 1991 durch den Irak selbst, so der ISG-Bericht, sei eine direkte Folge des starken Drucks der UN-Waffeninspekteure gewesen und war Teil der Bemühungen des Iraks, die Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen aufzuheben. Andererseits, so der Bericht, habe die frühere irakische Führung darauf abgezielt, nach der Beendigung der Waffenkontrollen und Sanktionen die illegalen Waffenprogramme wieder aufzulegen. Auch wenn mit zunehmender Dauer der Sanktionen und Waffeninspektionen die technischen Möglichkeiten des Iraks immer weiter schwanden, habe das Hussein-Regime gezielt darauf hingearbeitet, die grundsätzliche Fähigkeit zur Wiederaufnahme der Programme zu erhalten. Dazu zählt unter anderem die Sicherung von einzelnen Bakterienstämmen, die künftige Programme als Ausgangspunkt neuer Entwicklungsarbeiten hätten nehmen können. Laut ISG-Bericht wurde jedoch kein einziger Hinweis darauf gefunden, dass das Regime bereits konkrete Anstalten unternommen hätte, die Programme wieder zu starten.

Es muss jedoch darauf verwiesen werden, dass die UN-Resolutionen, mit denen die UN-Waffeninspektionen im Irak beschlossen wurden, im Anschluss an eine erfolgte Abrüstung und den Wegfall der Sanktionen auch eine dauerhafte und zeitlich nicht begrenzte Kontrolle von waffenrelevanten Einrichtungen im Irak vorsahen. Damit relativiert sich das im ISG-Bericht gezeichnete Szenario, nach dem das Hussein-Regime in kurzer Zeit wieder die alten Waffenprogramme aufgelegt hätte. In diesem Punkt scheint der Bericht, der ansonsten weitestgehend sehr faktenorientiert und umfassend ist, politisch motiviert zu sein und versucht, den Kriegsbefürwortern wenigstens ein letztes Argument – die drohende Wiederaufnahme der Waffenprogramme – zu lassen. Die geplante und in UN-Resolutionen verankerte langfristige Rüstungskontrolle, die eben dieses hätte verhindern können, bleibt im ISG-Bericht unerwähnt.

Im Bereich der biologischen Waffen nimmt der Bericht zu verschiedenen Details dezidiert Stellung:

• Es wurden in Bagdad mehrere geheime Laboratorien des irakischen Geheimdienstes gefunden. Diese waren bis dahin öffentlich nicht bekannt gewesen. In ihnen wurde auch nach 1991 kontinuierlich gearbeitet, unter anderem an verschiedenen Giften einschließlich Rizin. Ziel war hier jedoch nicht die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, sondern die Produktion bzw. Testung kleinerer Giftmengen für Attentate und Geheimdienstaktionen.
• Die angeblich mobilen Biowaffenlabore, die der CIA im Mai 2003 im Irak gefunden zu haben glaubte, sind laut ISG-Bericht nicht für die Produktion von Biowaffen geeignet und sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für die Herstellung von Wasserstoff gedacht gewesen.
• In der Privatwohnung eines irakischen Offiziellen wurden einzelne Bakterienproben gefunden, darunter auch Botulinum. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass diese Bakterien für die Zeit nach den Sanktionen gesichert werden sollten.
• Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass der Irak über Pockenviren verfügte.

Die ISG berichtete zudem, dass ein Lager mit chemischer Munition in den Tagen nach dem Ende der offiziellen Kriegshandlungen im Irak geplündert wurde. Es handelt sich dabei um einen Bunker in der Nähe von Bagdad, der im Golfkrieg 1991 zerstört worden war. Darin befanden sich nach irakischen Angaben 2500 mit dem Nervengas Sarin gefüllte Raketen. Um die unter den Trümmern begrabenen Chemiewaffen zu sichern, hatten die UN-Inspektoren den Bunker seinerzeit zugemauert und gesichert, da eine Bergung zu gefährlich erschien. Es ist unklar, ob noch gebrauchsfähige chemische Munition in dem Bunker war und wie viel davon evtl. von den Plünderern entwendet worden ist. Insgesamt haben die Amerikaner seit Beginn des Krieges im Irak 53 mit chemischen Waffen gefüllte Raketen und Granaten sichergestellt, die aus Munitionsbunkern oder anderen Orten gestohlen worden waren.

Der ISG-Bericht stellt interessanterweise auch fest, dass das Risiko eines gefährlichen Angriffes mit unkonventionellen Waffen seit dem Einmarsch der Amerikaner im Irak gestiegen sei. So hat die ISG eine Gruppe identifiziert und festgenommen, die bereits – mit Hilfe eines Chemikers – mit der Produktion von Rizin begonnen hatte.

Angesichts der Tatsache, dass das Hussein-Regime alle verbotenen Waffen bereits Mitte 1991 zerstört hat stellt sich die Frage, warum dies nicht unter den Augen der UN-Inspekteure geschehen ist. Dies hätte sicherlich zur Folge gehabt, dass die UNSCOM seinerzeit relativ schnell eine vollständige Abrüstung der Massenvernichtungswaffen bescheinigt hätte und somit ein entscheidender Schritt zur Aufhebung der Sanktionen gemacht worden wäre. Laut ISG-Bericht lag der Hauptgrund für die heimliche Zerstörung darin, dass Saddam Hussein die Nachbarstaaten und die USA darüber im Unklaren lassen wollte, ob er nun über unkonventionelle Waffen verfügt oder nicht. Nach Aussagen hochrangiger Offiziere des früheren Regimes hat Hussein selbst im höchsten Führungszirkel bis Ende 2002 den Eindruck aufrechterhalten, dass die irakische Armee über Massenvernichtungswaffen verfügt. Dieses Konzept der Abschreckung durch Vieldeutigkeit gegenüber potenziellen Gegnern war Hussein offensichtlich wichtiger als ein schnelles Ende der Inspektionen und Sanktionen.

Diese Vermutung der ISG stützt sich auf Aussagen verschiedener Mitglieder des früheren irakischen Führungszirkels. Saddam Hussein selbst, der über Monate von einem arabischsprechenden Verhörspezialisten des FBI befragt wurde, hat zu dieser Frage keine konkreten Aussagen gemacht.

Die über 1.200 vorwiegend amerikanischen und britischen Waffensucher der Iraq Survey Group (ISG) werden noch einige Zeit im Irak weiterarbeiten, um letzte Fragen zu klären (darunter, so Duelfer, die Frage, ob einige Elemente des Waffenprogramms nach Syrien geschmuggelt wurden). Der jetzt vorgelegte Bericht gilt jedoch als abschließend.

Offen ist bislang auch die Frage, inwieweit die Befunde der ISG jetzt international überprüft werden können. Noch gilt das Mandat für die Waffeninspekteure der Vereinten Nationen (UNMOVIC), die für den UN Sicherheitsrat die Abrüstung der Massenvernichtungswaffen im Irak feststellen sollen. Es ist damit zu rechnen, dass der Sicherheitsrat in den kommenden Monaten versuchen wird, hier eine Lösung zu finden. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die einseitigen und vom Rest der Welt unkontrollierten Waffeninspektionen der amerikanisch-britischen ISG von allen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats als angemessenen Ersatz für multilateral vereinbarte Inspektionen der UNMOVIC angesehen werden. In diesem Kontext wird sicherlich auch die Frage der Verstetigung der UNMOVIC erörtert werden. Einige europäische Staaten haben bereits die Einrichtung eines dauerhaften Inspektionsteams der Vereinten Nationen nach dem Vorbild der UNMOVIC gefordert. Die Bush Administration hat dies bislang abgelehnt.

Der Bericht ist im Internet unter http://www.cia.gov/cia/reports/iraq_wmd_2004/index.html verfügbar.



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Sunshine Project veröffentlicht Studien zur Biowaffenforschung in Frankreich und Deutschland
Dubiose Biowaffenforschung in Frankreich, relative Offenheit in Deutschland
Das Sunshine Project veröffentlicht heute zwei umfassende Studien zur Biowaffen-Abwehrforschung in Deutschland und Frankreich. Damit wird eine Serie von Länderstudien eröffnet, mit denen Licht in die weltweite Biowaffenforschung gebracht werden soll. Während die Bundeswehr in diesem Bereich eine vergleichsweise offene Informationspolitik betreibt und sich offensichtlich selbst enge Grenzen in der Biowaffenforschung gesetzt hat, hat die Untersuchung in Frankreich verschiedene fragwürdige Praktiken aufgedeckt.

So verstößt die französische Regierung gegen ihre Verpflichtung unter der Biowaffen-Konvention, jährlich umfassende Informationen über die eigene Biowaffen-Abwehrforschung an die Vereinten Nationen zu melden. Die von Frankreich abgegebenen Erklärungen an die Vereinten Nationen sind lückenhaft und werfen sehr viel mehr Fragen auf als sie beantworten. Auch nach Innen versucht die französische Regierung, alle Aspekte der Biowaffenforschung geheim zu halten. Durch eine umfassende Auswertung verschiedenster öffentlich zugänglicher Quellen konnten jedoch Teile des französischen Forschungsprogramms aufgedeckt werden.
Zu den vielen verschiedenen Projekte der französischen Abwehrforschung gehört unter anderem der Bau von mobilen Biolaboratorien, Studien zur Mikroeinkapselung von Bakterien oder Viren oder die Produktion von Toxinen mit Hilfe der Gentechnik.

Äußerst bedenklich ist die Tatsache, dass Frankreich im Bereich der Biowaffen so genannte praktische ‚Bedrohungsanalysen’ durchführt, d.h. Experimente zur Entwicklung offensiver Biowaffen, um damit die hypothetischen Möglichkeiten eines hypothetischen Gegners auszuloten. Derartige Versuche, bei denen praktisch gar nicht mehr zwischen defensiver und offensiver Forschung unterschieden werden kann, sind aus der Sicht der Rüstungskontrolle sehr kritisch zu sehen. Welcher Art die aktuellen praktischen Bedrohungsanalysen in Frankreich sind, konnte nicht ermittelt werden. Anfang der 1990er Jahre betraf dies beispielsweise die gentechnische Produktion eines tödlichen Schlangengiftes.

Es gibt zudem viele Hinweise auf ein mögliches Programm zur Entwicklung so genannter ‚nicht-tödlicher’ Chemiewaffen in Frankreich. In militärischen Forschungseinrichtungen wurden viele verschiedene psychoaktive Wirkstoffe untersucht, und französische Firmen haben eine breites Arsenal an Waffen und Systemen zur Ausbringung von ‚nicht-tödlichen’ Chemikalien entwickelt und patentiert. Auf einer Waffenmesse in Frankreich wurde uns von einem Vertreter der Firma Etienne Lacroix angeboten, entsprechende Waffensysteme mit ‚nicht-tödlichen’ Chemikalien, beispielsweise Stinksubstanzen, abzufüllen und zu liefern.

In Deutschland wird die biologische Abwehrforschung vor allem an der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAk) in München sowie am Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien (WIS) in Munster durchgeführt. Die Bundesregierung betreibt – insbesondere im Vergleich zu Frankreich – eine vergleichsweise offene Informationspolitik in diesem Bereich. Auch die jährlichen Meldungen an die Vereinten Nationen sind nach allen uns vorliegenden Informationen umfassend und korrekt. Ein in der Vergangenheit oft kritisiertes Experiment, bei dem gentechnisch veränderte Bakterien mit einer Resistenz gegen Antibiotika verwendet wurden, hat die Bundeswehr offensichtlich mittlerweile eingestellt.

Wenig offen ist die Bundeswehr allerdings bezüglich der Forschungsaktivitäten am WIS in Munster, über das kaum Informationen öffentlich zugänglich sind. Zudem verheimlicht die Bundesregierung weiterhin die Liste der zivilen Forschungsnehmer, die der Bundeswehr in der biologischen Abwehrforschung zuarbeiten. Die Bundesregierung weigert sich auch beharrlich, die jährlichen Erklärungen an die Vereinten Nationen öffentlich zugänglich zu machen. Das Sunshine Project hat deshalb jetzt Auszüge aus der Erklärung 2003 ins Internet gestellt.

Die Berichte zu Frankreich und Deutschland sind der Beginn einer längeren Serie von Länderstudien, mit denen das Sunshine Project einen Beitrag zur Transparenz und Vertrauensbildung im Bereich der biologischen Abwehrforschung leisten möchte. In Kürze werden zwei weitere Berichte über die Türkei und die USA folgen, für das kommende Jahr sind vier weitere Länderstudien geplant.
Die Berichte sind im Internet unter http://www.sunshine-project.de verfügbar.

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Biowaffen-Telegramm Nr. 34
Sunshine-Project – 1. Dezember 2004

Sunshine Laenderstudien ... Industrievorschlaege zur Verifikation ... Gentechnik und Pockenviren ... Landkarte der Biowaffenforschung in den USA ... Chemikalien in Falluja

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Konto Sunshine Project e.V.: HASPA – BLZ 200 505 50 – Konto 1250 1252 73

1. Studien zur BW-Forschung in Frankreich und Deutschland veröffentlicht

Am 16. November hat das Sunshine Project zwei umfassende Studien zur Biowaffen-Abwehrforschung in Deutschland und Frankreich veröffentlicht. Damit wurde eine Serie von Länderstudien eröffnet, mit denen das Sunshine Project einen Beitrag zur Transparenz und Vertrauensbildung im Bereich der biologischen Abwehrforschung leisten möchte.
In Kürze werden zwei weitere Berichte über die Türkei und die USA folgen, für das kommende Jahr sind vier weitere Länderstudien geplant.
Die Berichte können im Internet unter http://www.sunshine-project.de abgerufen werden.


2. Industrie-Experten machen Vorschläge zur Verifikation der Biowaffen-Konvention

Eine Gruppe von 14 US-amerikanischen Experten aus der Pharmaindustrie hat im November einen Bericht veröffentlicht, in dem konkrete Vorschläge zur Verifikation des internationalen Biowaffen-Verbots und zur Inspektion industrieller Anlagen gemacht werden. Der Bericht beruht im Wesentlichen auf theoretischen Planspielen zu den Moeglichkeiten und Grenzen solcher Inspektionen und schlaegt als naechsten Schritt die Durchfuehrung von experimentellen Inspektionen in verschiedenen Anlagen der pharmazeutischen bzw. biotechnologischen Industrie vor. Er geht explizit davon aus, dass die in der Bush-Administration verbreitete Ansicht, die Biowaffen-Konvention laesst sich prinzipiell nicht verifizieren, nicht fundiert ist.
Der Bericht wurde in Kooperation mit dem Center for Strategic and International Studies veröffentlicht und kann dort unter http://www.csis.org/isp/041117_Bioweapons.pdf heruntergeladen werden.


3. Gentechnische Veränderung von Pockenviren geplant

Ein Komitee der Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich Anfang November dafür ausgesprochen, künftig gentechnische Experimente mit Pockenviren zu genehmigen. Das WHO Komitee zur Pockenforschung – das seit der Ausrottung der Pocken in den 1970er Jahren den Umgang mit den letzten bekannten Pockenvirenvorräten in je einem russischen und amerikanischen Labor regelt – hat eine Reihe von Empfehlungen zur Pockenforschung gemacht, die jedoch noch auf der kommenden Generalversammlung der WHO im Mai 2005 genehmigt werden müssen.
Danach soll nicht nur die gentechnische Veränderung der Pockenviren möglich sein, sondern auch die Übertragung einzelner Pockengene auf andere Viren. Jedes Experiment soll im Einzelfall überprüft und genehmigt werden.
Angesichts der Tatsache, dass vor wenigen Jahren ein gentechnischer Eingriff an Mauspockenviren ungeplant und unvorsehbar zu einem sehr viel aggressiveren und gefährlicheren Virusstamm führte, sind die Risiken solcher Experimente kaum vorab zu kalkulieren.


4. Aktualisierte Karte der Biowaffen-Abwehrforschung in den USA

Am 4. November hat das Sunshine Project USA eine aktualisierte Karte der Hochsicherheits-Laboratorien und der Biowaffenforschung in den USA veröffentlicht. Darin verzeichnet sind jetzt unter anderem 4 fertige und 6 im Bau befindliche bzw. geplante Labore der höchsten Sicherheitsstufe (BL 4).
Frühere Versionen der Sunshine-Karte wurden in den letzten Monaten des Öfteren in den amerikanischen Medien verwendet, zuletzt z.B. in USA Today und dem American Journal of Public Health.
Die Karte kann unter http://www.sunshine-project.org herunter geladen werden.


5. Chemikalien in Falluja entdeckt

Presseberichten zufolge haben irakische Soldaten in Falluja ein ‚Labor’ mit Chemikalien und Anleitungen zur Herstellung von Explosivstoffen, Giften und Anthraxbakterien gefunden. Amerikanische Militaers gaben an, dass es sich bei den Chemikalien unter anderem um Natriumzyanid handelte, mit dem die giftige Blausaeure hergestellt werden kann.
Die genaue Natur der Dokumente und inwieweit sie sich tatsaechlich fuer die Herstellung von chemischen oder biologischen Waffen eignen ist nicht bekannt.


6. Leseempfehlung

Die vom ehemaligen Chef-Waffeninspektor der Vereinten Nationen, Hans Blix, geleitete internationale Kommission zum Schutz vor Massenvernichtungswaffen hat im November in Vancouver getagt.
Einige interessante Papiere zum Thema Biowaffen sind auf der homepage der Kommission unter http://www.wmdcommission.org abzurufen.


7. Diverses
Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat am 11. November Biowissenschaftler zu einem verantwortungsvollen Umgang mit ihrem Forschungsgebiet aufgerufen. Das Papier „Preventing Hostile Use of Life Sciences“ kann auf der Internetseite des Roten Kreuzes unter http://www.icrc.org abgerufen werden.


Das US-amerikanische Department of Energy bietet für Zollbeamte aus verschiedenen Ländern (u.a. Georgien, Litauen, Lettland, Türkei, Thailand und die Ukraine) ein Trainingsprogramm zur Identifizierung von Bauteilen für biologische, chemische oder atomare Waffen an. (siehe Presseerklaerung unter http://www.nnsa.doe.gov/docs/PR_NA-04-24_Commodity_Identification_Training_-_WMD_(10-04).htm).


Nach einem Bericht des Global Security Newswire (22.11.2004) beobachtet das FBI auch weiterhin landwirtschaftliche Spruehflugzeuge in den USA, da sie sich moeglicherweise fuer den Einsatz von biologischen oder chemischen Waffen durch Terroristen eignen.


In Neuseeland wurde jetzt ein National Centre for Emerging Diseases and Biosecurity in dern Naehe von Wellington eingerichtet, das sich neben natuerlichen Krankheitsausbruechen auch mit Massnahmen zum Schutz vor biologischen Waffen befassen soll.

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Sunshine Project Länderstudie Nr. 3: Türkei

Türkisches Militär hält biologische Abwehrforschung geheim
Dokument belegt Genehmigung zum Einsatz biologischer und chemischer Waffen

(Istanbul und Genf, 8. Dezember 2004) Die Türkei verstößt gegen ihre
Verpflichtung unter der Biowaffen-Konvention und verheimlicht den
Vereinten Nationen Art und Umfang ihrer biologischen Abwehrforschung.
Das geht aus einer umfassenden Studie zur Biowaffenforschung in der
Türkei hervor, die das Sunshine Project veröffentlicht hat. Zudem hat
das türkische Militär offensichtlich 1986 in einer geheimen Anweisung
den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen genehmigt.

Informationen über die Aktivitäten der türkischen Militärs in der
biologischen Abwehrforschung sind praktisch nicht verfügbar. Im Rahmen
der Biowaffen-Konvention ist die Türkei - wie alle anderen
Mitgliedsstaaten auch - verpflichtet, jährlich umfassende Informationen
über die eigene Biowaffenforschung an die Vereinten Nationen zu melden.
Die Türkei hat in diesen Meldungen angegeben, kein eigenes Programm zur
Verteidigung gegen Biowaffen zu unterhalten. Nach Recherchen des
Sunshine Project trifft das jedoch nicht zu. Im Gegenteil unterhält
eines der größten Militärkrankenhäuser der Türkei, die Gulhane
Militärische Medizinische Akademie (GATA), eine Abteilung zur
biologischen Abwehrforschung. Zudem werden an einigen zivilen
Einrichtungen, beispielsweise am Veterinärmedizinischen Institut Etlik
und wohl auch im Hygienezentrum Refik Saydam, einzelne
Forschungsprojekte durchgeführt.
Angesichts der Geheimhaltungspolitik der türkischen Regierung sind nur
wenig konkrete Details der türkischen Abwehrforschung öffentlich
zugänglich. Weder die türkische Regierung noch die relevanten
Forschungseinrichtungen sind bereit, Auskunft zu geben.

Es konnten keine direkten Hinweise darauf gefunden werden, dass das
türkische Militär eine offensiv ausgelegte Biowaffenforschung betreibt.
Zeitungsberichten zufolge hat jedoch die türkische Armee 1986 eine
geheime Direktive erlassen, die im Kampf gegen Terroristen den Einsatz
von biologischen und chemischen Waffen genehmigt. Auszüge aus dieser
Direktive sind im Bericht des Sunshine Project abgedruckt.
Da die türkische Regierung bislang eine Stellungnahme verweigert, bleibt
unklar, ob diese Direktive noch immer in Kraft ist oder ob sie
möglicherweise gar auf einer Fälschung beruht. Wenn diese Anweisung
tatsächlich einmal Gültigkeit hatte oder immer noch hat, wäre dies ein
krasser Verstoß gegen die Biowaffen-Konvention. Die jetzige türkische
Regierung sollte unverzüglich eine Untersuchung in dieser Angelegenheit
einleiten und sicherstellen, dass Entwicklung, Produktion und Einsatz
von biologischen Waffen in der Türkei strikt verboten sind.

In der Vergangenheit hat das türkische Militär auch so genannte
"nicht-tödliche" chemische Waffen wie Tränengas in Kampfsituationen
eingesetzt. In mindestens einem Fall wurden Tränengasgranaten in einer
militärischen Operation gegen bewaffnete Kurden eingesetzt, bei der 20
Kurden ums Leben kamen.

Zusammengefasst ist die türkische Regierung dringend aufgefordert, ihre
Geheimhaltung im Bereich der Biowaffenforschung aufzugeben und gegenüber
den Vereinen Nationen ohne Einschränkung alle Aktivitäten in diesem
Bereich offen zu legen. Nur durch vollkommene Transparenz und
vertrauensbildende Maßnahmen kann auf Dauer die Entwicklung eines
offensiven Biowaffenpotentials unter dem Deckmantel der
Verteidigungsforschung verhindert werden.

Das Sunshine Project hat bereits zwei weitere Länderstudien
(Deutschland, Frankreich) vorgelegt und wird in Kürze auch eine Studie
zu den USA veröffentlichten.

Mehr Informationen sind unter http://www.sunshine-project.de erhältlich.
 
Biowaffen-Telegramm Nr. 35
Sunshine-Project – 25. Januar 2005

Angriff unter der Gürtellinie ... Irak: Waffensuche beendet ... Afghanistan: Sprüheinsatz gegen Opiumfelder ... Biowaffen-Konvention ... Tularämieinfektionen

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins --

Sunshine Project e.V. ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
Konto: Sunshine Project e.V. – Hamburger Sparkasse – BLZ 200 505 50 – Konto 1250 1252 73

Termine:

Am 15. März 2005 endet die Bewerbungsfrist für den Postgraduierten Masterstudiengang „Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ 2005/2006 an der Universität Hamburg. Die Ausschreibung richtet sich insbesondere an NaturwissenschaftlerInnen. Die Möglichkeit einer Förderung durch ein Stipendium ist gegeben. Nähere Infos unter http://www.ifsh.de. Sehr empfehlenswert!!

Veröffentlichungen:

Eine umfassende Studie zur Biowaffen-Forschung in der Türkei veröffentlichte das Sunshine Project im Dezember 2004. Der englischsprachige Bericht kann unter http://www.sunshine-project.de/infos/Laenderstudien/Country Report Turkey.pdf eingesehen werden. Zwei Sunshine-Länderstudien zu Deutschland und Frankreich wurden bereits vorher vorgelegt, eine vierte Studie zu den USA wird in Kürze folgen.


Der erste BioWeapons Report des BioWeapons Prevention Project erschien am 9. Dezember 2004 und ist einzusehen unter http://www.bwpp.org. Der Bericht bietet eine umfassende Einführung in verschiedene Aspekte der biologischen Rüstungskontrolle sowie aktuelle politische Entwicklungen in diesem Bereich.


„Soldiers in the Laboratory“ ist ein im Januar von der britischen Organisation „Scientists for Global Responsibility“ veröffentlichter Bericht über den Einfluss des Militärsektors auf Wissenschaft und Technologieentwicklung in Großbritannien. Eine Zusammenfassung sowie auch der gesamte Bericht können unter http://www.sgr.org.uk/downloads.html eingesehen werden.

1. Angriff unter der Gürtellinie – bizarre C-Waffen-Ideen des Pentagon

Anfang Januar sorgte ein Forschungsvorhaben der US Air Force in den USA für Schlagzeilen. In dem Forschungsantrag von 1994 mit dem Titel „Harassing, Annoying, and ‚Bad Guy’ Identifying Chemicals“ wird die Entwicklung einer Reihe von bizarr anmutenden, nicht-tödlichen Chemiewaffen vorgeschlagen – zum Beispiel die Entwicklung eines starken Aphrodisiakums, das homosexuelles Verhalten unter den gegnerischen Soldaten auslösen soll.
Dieser Forschungsantrag wurde im Dezember vom Sunshine Project zusammen mit anderen Original-Dokumenten aus dem US-Chemiewaffenprogramm im Netz veröffentlicht (einsehbar unter http://www.sunshine-project.org/incapacitants/jnlwdpdf/).

Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sowie des Joint Non-Lethal Weapons Directorate (JNLWD) bestätigten mittlerweile, dass es diesen Antrag zwar gegeben habe, er sei jedoch nie ernst genommen und sofort abgelehnt worden.
Dies entspricht nicht den Tatsachen: Noch im Jahr 2000 warb das JNLWD auf einer CD für Militär- und Regierungskreise unter anderem mit genau diesem Forschungsvorhaben für die verstärkte Entwicklung von nicht-tödlichen Waffen. Und auch noch 2001 findet sich „Harassing, Annoying, and ‚Bad Guy’ Identifying“ unter einer Reihe von Vorschlägen für neue Waffensysteme, die vom JNLWD der National Academy of Science (NAS) zur Begutachtung vorgelegt wurden.

Wir wissen nicht, ob dieses Forschungsvorhaben tatsächlich weiter verfolgt wurde. Wir wissen jedoch, dass die US-Militärs an der Entwicklung anderer, so genannter „nicht-tödlicher“ Chemiewaffen arbeiten – zum Beispiel an Betäubungsgasen, ähnlich denen wie sie im Moskauer Geiseldrama eingesetzt wurden.
Auch wenn "Viagra als Waffe" wahrscheinlich nicht wirklich funktioniert, Valium als Waffe befindet sich in den USA bereits in der Entwicklung.
Generell besteht in Militärkreisen ein großes Interesse daran, nicht-tödliche Chemiewaffen zur Verfügung zu haben und offensichtlich auch eine hemmungslose Phantasie, was man mit solchen Waffen anstellen könnte.
Solange diese Waffen nicht grundsätzlich geächtet werden, wie es die Chemiewaffen-Konvention verlangt, werden wir mehr und mehr mit Versuchen konfrontiert werden, auch das Verhalten des Gegners über chemische Waffen zu steuern.

Weitere Informationen zum US-Chemiewaffenprogramm finden sie unter http://www.sunshine-project.de.

US-Militär verweigert die Herausgabe einer vergleichenden Studie zu ethnisch spezifischen Wirkungen von chemischen Waffen

Das Sunshine Project hat am 13. Januar gemeinsam mit einer anderen Organisation Einspruch dagegen eingelegt, dass die US-Militärs die Veröffentlichung eines Dokumentes verweigern, bei dem es um die Wirkung von biologischen und chemischen Waffen auf Menschen unterschiedlicher ethnischer oder geschlechtlicher Zugehörigkeit geht. Diese Experimente wurden von der US-Armee 1999 im Dugway Proving Ground in Utah durchgeführt.
Die Veröffentlichung der Studie wurde vom Sunshine Project erstmals im August 2004 gefordert. Im darauf folgenden Dezember lehnte die US-Armee eine Herausgabe der Dokumente ab.

Insbesondere die Experimente über ethnisch spezifische Wirkungen von Chemie- und Biowaffen müssen das Misstrauen anderer Länder wecken und lassen sich kaum mehr mit defensiven Erfordernissen rechtfertigen. Es muss offen gelegt werden, wie und warum solche Experimente durchgeführt wurden.
Die Herstellung von Transparenz ist umso mehr geboten, als dass auf dem Dugway Proving Ground aktuell eine massive Ausweitung der US-Abwehrforschung zu biologischen und chemischen Waffen stattfindet.
Besonders besorgniserregend ist, dass die US-Militärs selbst eingestehen, dass dort nicht nur chemische, sondern auch biologische Agenzien getestet wurden.

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.sunshine-project.org/publications/pr/pr130105docs.html


2. Waffensuche im Irak beendet

Wie die Washington Post am 12. Januar meldete, hat die Iraq Survey Group (ISG) die Waffensuche im Irak im Dezember letzten Jahres endgültig eingestellt – nach fast zwei Jahren vergeblicher Suche. Offiziell begründet wurde dies mit der Gewalt im Irak und der Tatsache, dass die Suche in den letzten Monaten zu keinen neuen Erkenntnissen geführt habe. Dem vorläufigen Bericht, den ISG-Chef Charles Duelfer im letzten Herbst gegeben habe, sei nichts Wesentliches hinzuzufügen. (Washington Post 12.01.2004, http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A2129-2005Jan11.html?referrer=email)

In der New York Times vom 13. Januar 2005 wird eine wichtige Schlussfolgerung gezogen: Die Tatsache, dass keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden seien, beweise letztendlich, dass die Politik der Vereinten Nationen gegenüber dem Irak funktioniert habe. UN-Waffeninspektionen sowie Sanktionen hätten sicher gestellt, dass der Irak seine 1991 bereits zum größten Teil selbst zerstörten Bestände an Massenvernichtungswaffen in den Folgejahren nicht wieder habe aufbauen können.

Holländer wird als Giftgaslieferant Saddam Husseins verdächtigt

Ein Holländer soll zwischen 1984 – 1988 Tausende von Tonnen gefährlicher Chemikalien an den Irak geliefert haben. Sie dienten als Ausgangsstoffe für die Produktion von Chemiewaffen, die vom Irak unter anderem beim Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja eingesetzt worden waren.
Der Verdächtigte ist am 6. Dezember verhaftet worden und wird laut Staatsanwaltschaft wegen der Beteiligung an Völkermord vor Gericht gestellt werden. (taz vom 8.12.2004, http://www.taz.de/pt/2004/12/08/a0072.nf/text.ges,1)

3. Chemie-Einsatz gegen Opiumfelder in Afghanistan

Unbekannte Flugzeuge sollen im Osten Afghanistans ohne Vorankündigung und Genehmigung der afghanischen Regierung Opium-Anbaugebiete mit Pestiziden besprüht und die Felder zerstört haben. Die afghanische Regierung habe dieses Vorgehen verurteilt. Eine Besprühung der Anbaugebiete mit Pestiziden sei nie autorisiert worden, die Aktion sei ein Angriff auf die Souveränität des Landes. Der Opiumanbau solle zwar gestoppt werden, aber zunächst müsse den Bauern Hilfe für die Umstellung auf andere Nutzpflanzen zuteil werden.
Anfang Dezember habe Präsident Karzai die Botschafter Großbritanniens und der USA wegen des Vorfalls zu sich gerufen und um Aufklärung gebeten. Beide Länder hätten jedoch bestritten, darin verwickelt zu sein.
Die USA, die den Flugraum über Afghanistan kontrollieren, hätten sich im Vorfeld für Sprüheinsätze gegen Opiumfelder ausgesprochen. (New York Times, 05.12.2004; Artikel im Netz auch unter http://www.fjncc.org/ejindu/news/content/2004-12-6/n548_464928.html einzusehen)


4. Biowaffen-Konvention: Treffen der Vertragsstaaten

Vom 6. – 10. Dezember fand ein Treffen der Vertragsstaaten des Biowaffen-Übereinkommens statt. In diesem Jahr standen die Themen Erkennung, Überwachung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie Möglichkeiten der internationalen Reaktion auf Vorwürfe des Einsatzes von Biowaffen oder verdächtige Ausbrüche von Infektionsgefahren auf dem Programm.
Ein ausführlicher Bericht über den Verlauf der Konferenz findet sich in der Ausgabe Nr. 66 des CBW Conventions Bulletin vom Dezember 2004, im Internet einzusehen unter http://www.sussex.ac.uk/Units/spru/hsp/CBWCB66.pdf.


5. Boston University verschweigt Tularämieinfektionen

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass sich 2004 insgesamt drei Wissenschaftler des Boston University Medical Center im Labor mit Tularämie (ein potentielles Biowaffen-Agens, auch bekannt unter dem Namen Hasenpest) infizierten und erkrankten. Die Vorfälle wurden vor der Öffentlichkeit geheim gehalten und kamen erst jetzt durch Pressenachfragen ans Licht.
Eine besondere Brisanz erhält die Geheimniskrämerei dadurch, dass im Rahmen des massiven Ausbaus der Biowaffen-Abwehrforschung in den USA ein neues Hochsicherheitslabor der Stufe 4 an der Boston University entstehen soll. Lokale Kritiker des Projekts sehen sich nun in ihrer Befürchtung bestätigt, dass die Universität auch zukünftig keinen offenen Umgang mit den potentiellen Gefahren einer solchen Einrichtung für die Bevölkerung pflegen wird.

Zudem bleiben die Umstände, unter denen es zu diesen Infektionen kam, weiterhin undurchschaubar. Zwei Wissenschaftler erkrankten bereits im Mai 2004, nach Angaben der Universität wurde damals überhaupt nicht an eine mögliche Tularämieinfektion gedacht. Erst als im September ein weiterer Wissenschaftler erkrankte, ist man offensichtlich aufgewacht. Im Oktober stand die Diagnose fest, dass es sich in allen drei Fällen um Tularämieerkrankungen gehandelt hatte.
Die Wissenschaftler sollen bei ihren Forschungen einige Sicherheitsvorkehrungen außer Acht gelassen haben, weil sie davon ausgingen, mit einer harmlosen Variante des Bakteriums zu arbeiten. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass die Proben, mit denen sie arbeiteten, auch virulente Stämme enthielten. Wie es zu diesen Verunreinigungen kommen konnte, ist bislang nicht geklärt. (New Scientist, 20.01.2005, http://www.newscientist.com/article.ns?id=dn6903; Washington Post, 22.01.2005, http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A27646-2005Jan21.html

Das Sunshine Project hat jetzt verschiedene relevante Dokumente von den verantwortlichen Stellen angefordert, um mehr Licht in die Vorfälle zu bringen.


6. Diverses


Wissenschaftler haben eine neue Technik entwickelt, mit der die Synthese selbst langer DNA-Ketten im Labor wesentlich vereinfacht werden soll.
Damit rückt auch die Möglichkeit des künstlichen Nachbaus gefährlicher Erreger, wie zum Beispiel des Pocken-Virus, alarmierend näher. (Der Forschungsbericht von Dr. George M. Church, Harvard Medical School, und Dr. Xiaolian Gao, University of Houston, wurde in der Ausgabe der Nature vom 06.01.2005 veröffentlicht, ein Artikel dazu erschien in der New York Times vom 12.01.2005)


US-Wissenschaftler haben moniert, dass es immer noch kein Gremium gibt, das Richtlinien für die Vermeidung des Missbrauchs biologischer Forschungen mit "dual use"-Potentialen entwickelt. (Nature, 16.12.2004)
Die Gründung eines solchen Gremiums mit dem Namen „National Science Advisory Board for Biosecurity (NSABB)“ wurde vom US-Gesundheitsministerium bereits im März 2004 angekündigt (siehe Bericht im BW-Telegramm Nr. 26).


Neues Urteil zu Giftgasexperimenten in Porton Down:
Der ehemalige Royal Air Force-Soldat Ronald Maddison ist 1953 durch ein Giftgasexperiment in Porton Down – das Nervengift Sarin wurde ihm in hoher Dosierung auf die Haut aufgebracht – unrechtmäßig getötet worden. Zu diesem Ergebnis kam eine Jury im November 2004 aufgrund einer erneuten Untersuchung der Todesumstände des damals 20 Jahre alten Maddison. (http://www.wsws.org/articles/2004/dec2004/port-d11.shtml; siehe auch unsere Meldungen in BW-Telegrammen, 17 und 21)


Der französische Gesundheitsminister hat bei einem Treffen der G-7 Staaten die Bildung einer Internationalen Task Force gegen Bio-Terror vorgeschlagen. (Global Security Newswire, 9.12.2004, http://www.nti.org/d_newswire/issues/2004_12_9.html#2326C4BC)


Es gibt einen Zusammenhang zwischen den Impfungen, die australische Golfkriegs-Veteranen zur Vorbereitung auf den Kriegseinsatz 1991 erhielten, und den gesundheitlichen Problemen, unter denen einige von ihnen heute noch leiden. Dies wurde nun in einer australischen Studie festgestellt.
Auch die Einnahme von Medikamenten, die die Soldaten vor den Folgen von Chemie- und Biowaffen-Einsätzen schützen sollten, stünden im Zusammenhang mit den Krankheitssymptomen der Soldaten. (Sydney Morning Herald, 7.12.2004)


Neuseeland wird erneut Vorwürfe untersuchen, dass Agent Orange von der Dow AgroSciences New Zealand hergestellt und von Neuseeland aus an das US-Militär für den Einsatz in Vietnam geliefert worden sei. (The New Zealand Herald, 11.01.2005, http://www.nzherald.co.nz/print.cfm?objectid=9006182)



Sunshine Project Deutschland
Sabine Schupp
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Biowaffen-Telegramm Nr. 36
Sunshine-Project – 26. Februar 2005

ISG-Bericht zensiert?... US-Abwehrforschung ... Iran ... Biowaffen-Spionage der SU ...

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1. ISG-Bericht: ein Insider packt aus

Auf der website der Australian Broadcasting Corporation findet sich ein interessantes Interview mit Rod Barton, einem australischen Biowaffeninspektor, der früher für die Vereinten Nationen und zuletzt für die von den USA eingesetzte Iraq Survey Group (ISG) tätig war.
Barton beschuldigt den späteren Leiter der ISG, Charles Duelfer, wichtige Erkenntnisse, die unterstrichen hätten, dass der Irak nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, aus seinen Berichten herausgehalten zu haben. Dem Interview ist zu entnehmen, dass sich Duelfer dem Druck von US-Regierung und CIA gebeugt habe. (http://www.abc.net.au/4corners/content/2005/s1300705.htm).

Zeitungsberichten zufolge wird die ISG noch im März einen endgültigen Bericht über ihre Arbeit im Irak vorlegen. Er soll im Vergleich zum vorläufigen ISG-Bericht, der im Oktober 2004 veröffentlicht wurde (http://www.cia.gov/cia/reports/iraq_wmd_2004/index.html), keine neuen Erkenntnisse enthalten.
Eine Auswertung des vorläufigen Berichtes gibt es auf unserer homepage unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2004/04_11_02_ISG_Report.html.


2. Rapider Anstieg der Experimente mit Biowaffen-Erregern in den USA – immer mehr unerfahrene ForscherInnen am Werk

Eine Analyse der Vergabe von Forschungsstipendien in den USA verdeutlicht den rapiden Anstieg im Bereich der Forschung an Biowaffen-Erregern.
Beispielsweise hat sich die Zahl der von den National Institutes of Health and Infectious Diseases (NIAID) vergebenen Stipendien für die Erforschung von Milzbranderregern seit Anfang 2001 im Vergleich zu den Vorjahren um 3471 Prozent erhöht (von 7 Stipendien im Zeitraum 1996 - 2000 auf 243 Stipendien im Zeitraum 2001 – 2005), die von den NIAID vergebenen Tularämie-Forschungsstipendien sind um 3100 Prozent gestiegen (von 3 Stipendien im Zeitraum 1996 - 2000 auf 93 Stipendien im Zeitraum 2001 - 2005).

Interessant ist zudem, an wen diese Stipendien gingen: Zwischen 97 und 98 Prozent der begünstigten WissenschaftlerInnen sind Erstantragsteller – d. h. sie haben tendenziell wenig Erfahrung in der Arbeit mit den gefährlichen Erregern.

Mehr hierzu finden Sie auf der homepage unserer US-KollegInnen unter http://www.sunshine-project.org/biodefense/niaidfunding.html

Nach dem Willen der US-Regierung soll alleine das Department of Health and Human Services im Haushaltsjahr 2006 4,2 Milliarden Dollar für die Biowaffen-Abwehr erhalten. Die Ausgaben für Medikamente gegen potentielle Biowaffen-Erreger sollen innerhalb dieses Budgets um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 600 Millionen Dollar steigen. Eine Kürzung soll es beim Bau von nicht-staatlichen Hochsicherheitslaboren geben (von 149 Millionen in 2005 auf 30 Millionen in 2006). (Cidrap News, 11.02.2005, http://www.cidrap.umn.edu/cidrap/content/bt/bioprep/news/feb1105budget.html)


3. Bio- und Chemiewaffen-Vorwürfe gegen den Iran

Kürzlich kursierten Zeitungsberichte, nach denen das Deutsche Zollkriminalamt (ZKA) dem Iran vorwirft, biologische und chemische Waffen zu besitzen.
Diese Berichte sind wahrscheinlich eher der aktuell aufgeheizten Diskussion um das iranische Nuklearprogramm geschuldet und haben keinen besonderen Neuigkeitswert. Sie gehen auf einen Bericht des ZKAs aus dem letzten November zurück, in dem es mit Bezug auf die biologischen Waffen lediglich heißt: „Ein B-Waffenprogramm soll sich im Entwicklungs- und Forschungsstadium befinden“. Quellen werden in dem Bericht keine genannt (http://www.zollkriminalamt.de/download/Exportkontrolle_ext.pdf).


4. Ex-KGB-Spion enthüllt: SU wusste bestens Bescheid

Alexander Kouzminov, ein ehemaliger Biowaffen-Spion des KGB, hat ein Buch mit dem Titel „Biological Espionage“ veröffentlicht, in dem er behauptet, dass es sowjetischen Spionen in den 1980er und frühen 90er Jahren gelungen sei, die Zentren der Biowaffen-Abwehrforschung in den USA und Großbritannien zu infiltrieren. Sie seien genauestens über den Stand der Forschungen dort informiert gewesen und hätten das sowjetische Biowaffen-Programm regelmäßig mit Erregerproben aus westlichen Laboren versorgt.
Seit Ende der 1980er Jahre sei es der SU bereits klar gewesen, dass der Westen selbst über keine offensiven Biowaffen-Programme verfüge.
In der SU hätte es Pläne gegeben, Biowaffen an strategischen Orten im Westen zu verstecken, um sie im Falle eines Krieges dort einzusetzen. (London Daily Telegraph, 12.02.2005)


5. Diverses

In Kanada wurden 6 Orte lokalisiert, an denen alte C- und B-Waffenbestände lagern. Die alten Waffenbestände stellen nach Auskunft der zuständigen Behörden ein potentielles Risiko für Umwelt und Gesundheit dar. Ihre Vernichtung würde Millionen kosten. (Global Security Newswire, 24.01.2005, http://www.nti.org/d_newswire/issues/2005/1/24/d8544ca6-f72d-43a0-995f-3241d4ab6cec.html)


Am 21. Februar 2005 fand ein Workshop zur Biowaffenkonvention in Melbourne, Australien, statt. 12 südostasiatische und pazifische Nationen nahmen daran teil. Der Workshop wurde gemeinsam von Australien und Indonesien veranstaltet. Im Zentrum stand die Entwicklung von Gesetzen und Verhaltenskodexen zur Reduzierung der Bedrohung durch Biowaffen.


Am 16. Februar präsentierte der neue CIA-Chef Porter Goss dem Geheimdienstausschuss des US-Senats seinen Jahresbericht über weltweite Bedrohungen. Darin äußerte er u. a., er glaube, dass Nordkorea auch aktive Programme für chemische und biologische Waffen unterhalte. Womöglich besäße es bereits einsatzfähige Chemie- und Biowaffen.
Es lässt sich nicht beurteilen, inwieweit diese Stellungnahme auf konkreten Informationen beruht oder rein politischer Natur ist. (http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=11621)


Neu erschienen in 2. Auflage ist das von Klaus Bieneck herausgegebene „Handbuch des Außenwirtschaftsrechts – mit Kriegswaffenkontrollrecht“. Es enthält eine umfangreiche Darstellung aller gesetzlichen Beschränkungen zur Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und konventionellen Rüstungsgütern durch Deutsche oder von Deutschland aus.


Ein verdächtig riechender Kanister löste Chemie-Alarm auf einem Flughafen in Ankara aus. 43 Menschen, die unter dem vermeintlichen Giftgas litten, wurden ins Krankenhaus gebracht. Später stellte sich heraus, dass es sich lediglich um die Ausdünstungen von Knoblauchöl gehandelt hatte. (Turkish Daily News, 12.02.2005)

Sunshine Project Deutschland
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Biowaffen-Telegramm Nr. 37

Sunshine-Project – 31. März 2005

Irak und UNMOVIC ... 30 Jahre BWK ... Annan zu Biowaffen ... Forscheraufstand in den USA ... Schmerzwaffe ... Falscher Milzbrandalarm ... Ägypten half Irak? ... Giftgasvorwürfe gegen USA ... Agent Orange-Klage abgewiesen ...

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins --

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Veröffentlichungen:

“The Biological Sciences: Risks, Responses, and Responsibilities” – aktuell vom Center for Arms Control and Non-Proliferation veröffentlichte Bildungsmaterialien für WissenschaftlerInnen, einsehbar unter http://www.armscontrolcenter.org/resources/biosecurity_course/


1. Irak und UNMOVIC

Plünderungen

Auswertungen von Satellitenbildern durch UNMOVIC-ExpertInnen ergaben, dass 90 von insgesamt 353 in Bezug auf waffenrelevante Materialien besonders wichtige Orte im Irak geplündert wurden. Einige dieser Materialien wurden im Ausland wiederentdeckt. An 10 von diesen Orten finden aktuell offensichtlich Wiederaufbaumaßnahmen statt. Dies berichten die UNMOVIC-ExpertInnen in ihrem letzen vierteljährlichen Bericht vom 28. Februar 2005. (http://www.un.org/Depts/unmovic/new/documents/quarterly_reports/s-2005-129.pdf)

Inzwischen hat auch ein irakischer Minister offiziell bestätigt, dass es umfangreiche Plünderungen von militärischem Gerät durch systematisch und professionell vorgehende Gruppen gegeben habe. Konkret vermisst würden Materialien von 8 - 10 irakischen Ex-Waffenschmieden – Materialien, die für die Produktion von Raketen, Chemie-, Bio- und Nuklearwaffen benutzt werden könnten. (New York Times, 13.03.2005, http://query.nytimes.com/mem/tnt.ht...nternational/middleeast/13loot.html&tntemail1)

Zukünftige Abrüstungskontrolle und Monitoring im Irak

In den nächsten Monaten wird der UN-Sicherheitsrat das bisherige Mandat der UNMOVIC überprüfen und eine Entscheidung über das Fortbestehen der Organisation treffen müssen.

UNMOVIC-Chefinspektor Demetrius Perricos vertrat vor dem UN-Sicherheitsrat am 8. März die Einschätzung, dass den UNMOVIC-Inspektoren auch in Zukunft eine wichtige Stellung im Irak zukommen könne. Noch zu klären sei beispielsweise der Verbleib von Waffen, die die Inspektoren nicht mehr rechtzeitig vor ihrer Ausreise vor Kriegsbeginn hätten zerstören können.
Selbst wenn die Abrüstung des Iraks abgeschlossen und verifiziert sei, müsse man entscheiden, ob nicht ein weiteres Monitoring von “dual-use”-Einrichtungen durch die Vereinten Nationen für eine bestimmte Zeit sinnvoll sei.

Die irakische Regierung möchte jedoch die Arbeit der UNMOVIC sowie der Internationalen Atombehörde nicht länger über ihre Öl-Einnahmen finanzieren. In einem Brief an den UN-Sicherheitsrat vertritt sie den Standpunkt, dass die Tätigkeit der beiden Institutionen im Irak irrelevant geworden sei, das Geld solle nun der Entwicklung des Landes zugute kommen. (http://english.aljazeera.net/NR/exeres/2F58502B-A096-493E-B042-559F81C67A21.htm)

Zeitungsmeldungen zufolge (International Herald Tribune, 28.02.2005) wird im UN-Sicherheitsrat bereits hinter den Kulissen um die Zukunft der UNMOVIC gerungen. Den USA wird nachgesagt, dass sie eine Auflösung der UNMOVIC anstreben, während insbesondere Frankreich sich für den Erhalt der UNMOVIC-Expertise einsetzt.
Siehe hierzu auch ein Artikel auf unserer homepage unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2004/04_03_30_Zukunft UNMOVIC.html


2. 30-jähriges Bestehen der Biowaffen-Konvention

Vor 30 Jahren, am 26. März 1975, trat die Biowaffen-Konvention in Kraft. Eine Erklärung der EU sowie eine gemeinsame Erklärung der drei Depositar-Staaten Großbritannien, USA und Russland zu diesem Anlass finden Sie auf der homepage des Bioweapons Prevention Project unter http://www.bwpp.org.

In Berlin fand am 23. März eine Veranstaltung anlässlich dieses Jubiläums statt, organisiert unter anderem von der Forschungsstelle Biowaffen der Uni Hamburg und der Arms Control Association. Mehr Informationen dazu gibt es unter http://www.uni-hamburg.de/biowaffen.

In Großbritannien haben WissenschaftlerInnen und Nichtregierungsorganisationen einen Brief an Parlamentsmitglieder verfasst mit dem Appell sich für eine Stärkung der Biowaffenkonvention einzusetzen. Den dem Brief beigefügten Text mit Vorschlägen für geeignete Maßnahmen zur Wiederbelebung der Konvention finden Sie im Anhang dieses Telegramms.


3. Kofi Annan zur Bedrohung durch Biowaffen

In seinem am 21. März veröffentlichten Bericht zur Reform der Vereinten Nationen „In Larger Freedom“ fordert Kofi Annan eine Wiederbelebung der multilateralen Instrumente zur Abrüstung von Massenvernichtungswaffen und deren Nicht-Weiterverbreitung. Er weist darauf hin, dass die Bedrohung durch diese Waffen nicht allein von Terrororganisationen ausgehe.
Auf Biowaffen bezogen erklärt er, dass es bald Tausende von Laboren weltweit geben werde, die in der Lage sein würden, tödliche Erreger zu „designen“. Die beste Gegenwehr hierzu seien Maßnahmen zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesen.
Weiterhin fordert er alle Staaten auf, sich für eine Stärkung der Biowaffen-Konvention einzusetzen und für eine höhere Transparenz ihrer Biowaffen-Abwehrprogramme zu sorgen. Den vollständigen Bericht können Sie unter http://www.un.org/largerfreedom/report-largerfreedom.pdf einsehen.


4. Aufstand der ForscherInnen in den USA

In einem offenen Brief an Elias Zerhouni, den Chef der National Institutes of Health (NIH), fordern über 750 namhafte US-WissenschaftlerInnen mehr Geld für Forschung an echten Krankheitserregern und weniger für die virtuellen Krankheiten der Biowaffenforschung.

Das Sunshine Project hat aus verschiedenen Datenbanken der NIH Zahlen recherchiert die belegen, dass in Folge des Biodefense-Booms jetzt real weniger Geld in die Bekämpfung von Krankheiten bzw. Erregern wie Tuberkulose, Malaria oder HIV fließt. Bislang hat das NIH immer behauptet, dass der Biodefense-Boom nicht auf Kosten der Forschung an anderen Erregern gehe – die von Sunshine recherchierten Zahlen beweisen jetzt das Gegenteil.

Ein aktueller Artikel im Greenpeace Magazin hierzu kann unter http://www.greenpeace-magazin.de/spezial/biowaffen/ abgerufen werden, die Zahlen zur NIH-Förderung unter http://www.sunshine-project.org.


5. US-Militär lässt Schmerzwaffe entwickeln

Das US-Militär finanziert die Entwicklung einer neuen Laserwaffe an der University of Florida – sie soll Menschen maximal mögliche Schmerzen zufügen. Dies wird durch einen vom Sunshine Project veröffentlichten Vertrag zwischen dem Office of Naval Research und der University of Florida enthüllt.
Artikel hierzu gibt es in der New Scientist Print Edition vom 02.02.2005 sowie auf Spiegel online, 03.03.2005, http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,344537,00.html.


6. Falscher Milzbrandalarm im Pentagon

Am Montag den 14. März wurde im Pentagon Milzbrandalarm ausgelöst. Bei Routineuntersuchungen der Luftfilter einer Poststelle waren Milzbrandbakterien entdeckt worden. In der Folge wurden insgesamt drei Poststellen geschlossen und 900 Beschäftigte erhielten vorsorglich Antibiotika.
Alle Proben, die anschließend in den Gebäuden genommen und auf Milzbrandbakterien untersucht wurden, blieben jedoch negativ. Als mögliche Erklärung wurde von offizieller Seite angeboten, dass die Luftfilter im Vertragslabor, das die Routineuntersuchungen vornahm, kontaminiert worden seien. Das Labor selbst bestreitet diese Möglichkeit.

Heftige Kritik löste zudem die Tatsache aus, dass vier Tage zwischen der Feststellung des positiven Milzbrandergebnisses in dem Labor (am Donnerstag den 10. März) verstrichen bis die Information bei den zuständigen Stellen im Pentagon landete (am Montag den 14. März).
Dem Pentagon wird nun vorgeworfen, dass es seine Untersuchungen nicht durch eines der 140 Labore vornehmen lässt, die von den Centers of Disease Control eigens für solche Testverfahren zertifiziert worden sind. (Washington Post, 16.03.2005, http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A40146-2005Mar16.html sowie Washington Post 27.03.2005, http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A3674-2005Mar26?language=printer)


7. Ägypten half dem Irak beim Bau von Chemiewaffen

Ägypten habe den Irak in den 1980er Jahren während des Krieges gegen den Iran mit Technologie und Know How für den Bau von Chemiewaffen unterstützt. In der Öffentlichkeit bisher kaum beachtet, wird dies im Bericht der Iraq Survey Group vom Oktober vergangenen Jahres behauptet.
Pressemeldungen zufolge wurden die Aussagen durch UNMOVIC-Inspektoren bestätigt. Die UN-Inspektoren hätten bereits seit 1991 von der Zusammenarbeit zwischen dem Irak und Ägypten gewusst, dies jedoch nicht öffentlich kund getan – entsprechend der politischen Devise, die Namen von Firmen und Ländern, die den Irak bei der Produktion von Massenvernichtungswaffen unterstützten, nicht zu veröffentlichen, um sie nicht von einer Kooperation mit den UN-Inspektoren abzuhalten.
Ägypten bestreitet die Vorwürfe.
(http://www.n24.de/index.php?n2005031316331800002)


8. US-Militär soll Giftgas in Al-Fallujah eingesetzt haben

Laut arabischen Presse- und Fernsehberichten wirft die irakische „Association of Muslim Scholars“ dem US-Militär vor, Giftgas gegen die BewohnerInnen von Al-Fallujah eingesetzt zu haben. Sie berufen sich dabei auf Aussagen von Überlebenden und Ärzten, die die Opfer betreut haben sollen.
Vertreter der arabischen Menschenrechtsorganisation Al-Mizan fordern die Einrichtung eines unabhängigen, internationalen Komitees zur Überprüfung der Vorwürfe. (Al-Sharqiyah, 05.03.2005; Al-Jazirah, 28.02.2005)

Aus unserer Sicht ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die USA heute im Irak tödliches Nervengas oder ähnliche Giftgase einsetzen, da es aus deren Perspektive sicherlich keinerlei militärische Notwendigkeit gibt, die einen derart eklatanten Bruch des Völkerrechts rechtfertigen würde.
Möglich scheint hingegen der Einsatz von Tränengas oder anderen so genannten nicht-tödlichen chemischen Waffen, deren Anwendung im Irak von US Verteidigungsminister Rumsfeld ausdrücklich gebilligt wurde (s. BW-Telegramm Nr. 13 unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/telegramme/Telegramm_13.html).


9. US-Richter weist Klage von vietnamesischen Agent Orange-Opfern ab

Ein US-Richter hat die im letzten Jahr eingereichte Klage von vietnamesischen Agent Orange-Opfern gegen amerikanische Chemiefirmen abgewiesen, da es keinerlei rechtliche Grundlage dafür gäbe.
Die Kläger hatten den US-Firmen, darunter beispielsweise Dow Chemical und Monsanto, vorgeworfen, sich mit der Produktion des Giftes für den Einsatz durch das US-Militär eines Kriegsverbrechens schuldig gemacht zu haben. Sie fordern Kompensationen und eine Sanierung der verseuchten Umwelt in Vietnam.

Bereits im Januar hatte das US-Verteidigungsministerium dem zuständigen Richter nahe gelegt, das Verfahren einzustellen. Sie begründeten dies damit, dass alleine die Möglichkeit, dass Ex-Kriegsgegner bei amerikanischen Gerichten Klagen einreichen könnten, weil sie angeblich durch die US-Armee Schaden erlitten hätten, eine gefährliche Einschränkung der Macht des Präsidenten, Krieg zu führen, nach sich ziehe. Im Gegenzug würde es eine „atemberaubende“ Ausdehnung der Macht der Gerichte bedeuten.

Die Firmen argumentierten u. a., dass sie nicht dafür bestraft werden könnten, dass sie die Befehle des Präsidenten und obersten Chefs der Streitkräfte der USA ausgeführt hätten.

1984 bezahlten sieben US-Firmen 180 Millionen Dollar, um eine Klage von amerikanischen Vietnam-Veteranen, die Agent Orange für ihre Gesundheitsprobleme verantwortlich machten, beizulegen. (BBC, 10.03.2005, http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/americas/4336941.stm; aktuelles Gerichtsurteil einsehbar unter http://news.bbc.co.uk/1/shared/bsp/hi/pdfs/10_03_05_agentorange.pdf)


10. Diverses

Das US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID), bis 1969 Produktionsstätte für Biowaffen, heute Zentrum der Biowaffen-Abwehrforschung, hat kürzlich 50 Jahre Bestehen gefeiert. Zu diesem Anlass erschien ein Artikel, von einer Vertreterin der Institution geschrieben, in dem die Geschichte des Institutes weiß gewaschen wird.
Näheres in unserer englischsprachigen Presseerklärung vom 3. März 2005 unter http://www.sunshine-project.org/publications/pr/pr030305.html, der link zum Originalartikel: http://www.dcmilitary.com/army/standard/10_05/local_news/33582-1.html.


Eine weitere Arbeit zu genetischen Unterschieden zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft wurde kürzlich in Science veröffentlicht (Hinds D. A. et al., Science, 307. 1072-1079 (2005)).
In ihrer Veröffentlichung distanzieren die ForscherInnen sich von jeglicher rassistischen Interpretation ihrer Arbeit. Ihre Forschungsergebnisse sollen dazu dienen, individuelle medikamentöse Therapien zu entwickeln. Nichtsdestotrotz können solche Forschungen für die Entwicklung ethnischer Waffen missbraucht werden. Mehr zu dem Thema in einem Beitrag des Sunshine Project über Ethnowaffen auf unserer homepage unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2003/03_10_22_Ethnowaffen.html.


Am 20. März 2005 jährte sich der Tag, an dem Mitglieder der Aum-Sekte einen Giftgasanschlag auf die Tokioter Untergrund-Bahn verübten, zum zehnten Mal. Bei dem Anschlag starben 12 Menschen. Viele andere leiden heute noch unter den Folgen. Der Tag wurde in Japan mit einer Zeremonie zum Gedenken an die Opfer begangen. (BBC News, 20.03.2005, http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/asia-pacific/4365417.stm

11. Anhang:

Anhang zu “30th Anniversary Year of the Biological and Toxin Weapons Convention”, ein Brief an Mitglieder des britischen Parlamentes vom 10. März 2005

Unterzeichnende:
- Daniel Feakes Research Fellow d.feakes@sussex.ac.uk[/url]
- Prof. Malcolm Dando, Professor of International Security, University of Bradford, m.r.dando@Bradford.ac.uk[/url]
- Dr. Ian Davis, Executive Director, British American Security Information Council (BASIC), idavis@basicint.org[/url]
- Prof. Julian Perry Robinson, Professorial Fellow, University of Sussex, j.p.p.robinson@sussex.ac.uk[/url]
- Prof. Graham S. Pearson CB, Visiting Professor of International Security, University of Bradford, Graham_Pearson@compuserve.com[/url],
- Mr. Nicholas A. Sims, Reader in International Relations, London School of Economics, n.sims@lse.ac.uk[/url]
- Ms. Angela Woodward, Acting Director, Verification Research, Training and Information Centre (VERTIC), angela@vertic.org[/url]

Strengthening the 1972 Biological and Toxin Weapons Convention

Background
The 30th anniversary of the entry into force of the BTWC represents a landmark for this historic convention, the first international treaty to completely outlaw an entire class of weapons of mass destruction. Given current concerns about biological weapons and bioterrorism, the anniversary is an event that deserves to be marked by appropriate action. The treaty’s evolution has not always been easy (represented most recently by the collapse of negotiations for a verification protocol in 2001) but the anniversary provides an opportunity for the treaty’s 153 member states to recommit themselves to its goals. It also provides an opportunity to raise awareness of the BTWC. Such opportunities are infrequent.

An opportunity for the UK Government
However, it now appears possible that this opportunity may be missed as few of the treaty’s members seem to be prepared to mark the occasion. As one of the three depositaries of the BTWC, alongside the USA and Russia, the UK has a special responsibility to the treaty. Despite this, there appears to be little enthusiasm within Government to either mark the anniversary or to take a more proactive role in current efforts to strengthen the treaty. While it would not be surprising for Washington and Moscow to pay scant attention to the anniversary, the UK has traditionally been seen as one of the treaty’s strongest supporters and silence from London would be noted in other capitals. While the BTWC received high-level attention with the launch of a Green Paper by the Foreign Secretary in 2002, attention has since waned.

In addition to its permanent role as one of the treaty’s depositaries, the UK has extra BTWC responsibilities in 2005. In June and December, the UK will chair three weeks of meetings on “the content, promulgation and adoption of codes of conduct for scientists”. The Government has undertaken consultations on this issue with interested parties over the past two years, as noted in the Science and Technology Committee’s 2003 report on The Scientific Response to Terrorism. Also in 2005, the UK is chairing the G8 and from July it will hold the Presidency of the EU. The proliferation of weapons of mass destruction is already been recognized as a priority in both of these fora. In 2006, BTWC states parties will gather in Geneva for the treaty’s sixth five-yearly Review Conference. The last Review Conference in 2001/2002 failed to adopt a final declaration, making it essential that governments are encouraged to give early consideration to achieving a more successful outcome in 2006, especially given the immense advances in biotechnology over recent years.

Members of both Houses of Parliament have shown their interest in and support for the BTWC in recent reports of the Foreign Affairs Committee, EDM 303, the 6 December 2004 House of Lords debate on the BMA Biotechnology, Weapons and Humanity II report and the House of Lords Foreign Affairs, Defence and Development Policy (Sub-Committee C) inquiry into the EU strategy against WMD. In October 2004, the Inter-Parliamentary Union adopted a resolution on “the role of parliaments in strengthening multilateral regimes for non-proliferation of weapons and for disarmament” which called for “parliaments to monitor closely the national implementation of all arms control, non-proliferation and disarmament treaties” and specifically insisted on “the need to strengthen further the BTWC, in particular to establish a legally binding mechanism for its verification”. In this latter respect, the resolution was echoed in the recommendation in the December 2004 report by the UN Secretary-General’s High-Level Panel on Threats, Challenges and Change, which has been welcomed by the Prime Minister and the Foreign Secretary.

The BTWC is the weakest of the international regimes to prohibit and counter weapons of mass destruction. Now is the time for effective action and for the UK to take a leading role in initiating such action.

What needs to be done?

The need for an institutional framework
In the 30 years since the entry into force of the BTWC, States Parties have been unable to reach agreement about institutional measures which would strengthen the Convention. Unlike the Chemical Weapons Convention which is supported and implemented by a large organisation, the Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, there is no organisation or body which could fulfil similar functions to increase the effective implementation of the BTWC. Examples of the functions which such an organisation could fulfil include: consulting and negotiating with states and regions to increase the number of states parties to the Convention; assisting states to draft and implement the required national legislation to make the Convention applicable to individuals at a national level; and co-ordinating requests and offers of assistance between states.

The need for compliance and verification mechanisms
The Convention lacks any mechanism through which compliance with the treaty can be monitored and verified. Attempts to develop such a mechanism failed in 2001 after ten years of negotiation. Although it appears unlikely that State Parties will agree in the near future to resuming negotiations, the UK Government could consider developing such a mechanism within Europe, or at least explore partial measures to strengthen the BTWC.

The need for an effective Review Conference in 2006
In 2006 State Parties to the BTWC will meet to review the Convention at the 6th Review Conference. Due to the failure of negotiations in 2001 states have not reviewed the Convention since 1996. Failure to review the Convention in 2006 will mean that the Convention is in danger of falling behind developments and advances in the biological sciences. The UK Government could help to develop concrete expectations of the Review Conference and make a public statement articulating these expectations.

Sunshine Project Deutschland
Sabine Schupp
Scheplerstr. 78
22767 Hamburg
Tel: 040 / 43 18 80 01
Fax: 040 / 67 50 39 88
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Biowaffen-Telegramm Nr. 38

Sunshine-Project – 30. April 2005

Pocken ... Laborunfälle ... Irak ... Genographic Project ... Rizin

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins --

Sunshine Project e.V. ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
Konto: Sunshine Project e.V. – Hamburger Sparkasse – BLZ 200 505 50 – Konto 1250 1252 73

Lesestoff:

“Biological weapons and the challenges for Africa” ist Themenschwerpunkt der African Security Review, Vol. 14, Nr. 1, 2005; als pdf erhältlich unter http://www.iss.org.za/pubs/ASR/14No1/ContentsPDF.htm

1. Internationale Kampagne gegen Gentechnik mit Pockenviren - erster Erfolg

Am 4. April haben mehrere internationale Organisationen – darunter auch das Sunshine Project – eine Kampagne gegen gentechnische Versuche mit Pockenviren gestartet (mehr unter http://www.smallpoxbiosafety.org, dort sind auch Informationen auf deutsch verfügbar).
Seitdem haben mehr als 1000 Personen und Organisationen aus über 50 Ländern Briefe an die Weltgesundheitsorganisation WHO geschickt und sie aufgefordert, die letzten verbliebenen Bestände an Pockenviren in russischen und US-amerikanischen Labors zu vernichten, anstatt jetzt die Forschung an Pockenviren weiter auszuweiten und sogar weit reichende gentechnische Versuche mit den Viren zu erlauben.

Wir möchten auch Sie bitten, eine Email an die WHO zu senden (falls Sie das nicht schon getan haben) und in Ihrem Umfeld für die Kampagne zu werben.
Unter http://www.smallpoxbiosafety.org können Sie in drei simplen Schritten in nur 2 Minuten einen vorbereiteten Brief an den Generaldirektor der WHO abschicken. Schon in gut zwei Wochen wird die World Health Assembly (WHA) in Genf zusammenkommen und über die gentechnischen Pockenversuche entscheiden.
Auf der Internetseite http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/service/email/index.php können Sie auch eine Email an das Gesundheitsministerium schicken, das die Bundesregierung bei der WHA vertreten wird.

Ein erster Erfolg lässt sich bereits verbuchen: der Generaldirektor der WHO hat sich gegen einen Teil der zur Diskussion stehenden Versuche ausgesprochen. In einem am 14. April veröffentlichten Bericht in Vorbereitung der World Health Assembly empfiehlt er - aufgrund von Sicherheitsbedenken („biosafety and biosecurity concerns“) – das Einführen von Pocken-Genen in andere, verwandte Viren noch einmal zu überdenken.
Der Bericht des WHO Direktors kann unter http://www.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA58/A58_10-en.pdf eingesehen werden.


2. Laborunfälle I: Gefährliche Grippeviren verschickt

Weltweites Aufsehen erregte in den vergangenen Tagen die Nachricht, dass Test-Kits, die einen gefährlichen Grippevirus enthielten, an tausende Labore innerhalb und außerhalb der USA verschickt worden waren – Zeitungsmeldungen zufolge waren ca. 4000 Labore in den USA, 14 in Kanada und 61 Labore in 18 weiteren Ländern, darunter auch Deutschland, betroffen.
Bei dem Grippevirus handelte es sich um den Erreger der Asiatischen Grippe (H2N2), der zwischen 1957 und 1967 zahlreiche Epidemien auslöste und Millionen von Menschen tötete. 1968 wurde H2N2 durch einen anderen Grippestamm abgelöst und trat seitdem nicht mehr in Erscheinung. Menschen die nach 1968 geboren wurden, haben deshalb keine oder nur geringe Immunität gegenüber dem H2N2-Virus.

Die Test-Kits, die der routinemäßigen Überprüfung der Laborlizenzen dienen, befanden sich bereits seit einem halben Jahr im Umlauf, bevor ein kanadisches Labor mehr oder weniger zufällig entdeckte, dass sie den Erreger der Asiatischen Grippe enthielten.
Die WHO, die am 26. März von dem Vorfall unterrichtet wurde, forderte alle Labore, die entsprechende Test-Kits erhalten hatten, auf, diese sofort zu vernichten. Ein WHO-Sprecher äußerte besorgt, es könne durchaus vorkommen, dass sich ein Labormitarbeiter anstecke und damit eine Epidemie auslöse.

Normalerweise werden die Test-Kits mit aktuellen Grippestämmen bestückt. Bislang ist völlig ungeklärt, warum das Unternehmen Meridian Biosciences Inc. den gefährlichen H2N2-Virus wählte.

Mittlerweile sollen alle Test-Kits außerhalb der USA und auch die meisten der in den USA im Umlauf befindlichen Test-Kits vernichtet worden sein. Eine Ansteckung ist bislang nicht bekannt geworden. (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19878/1.html)

Laborunfälle II: Wissenschaftler infizierten sich im Labor mit Tuberkulose – defekte Aerosol-Kammer ist schuld

Eine undichte Aerosol-Kammer ist verantwortlich für drei Tuberkuloseinfektionen, die in einem Labor der Sicherheitsstufe 3 in Seattle im letzten Jahr auftraten.
Bei der defekten Aerosol-Kammer handelt es sich um eine Standardausführung, hergestellt von der University of Wisconsin in Madison. Es befinden sich derzeit rund 20 weitere solche Kammern im Einsatz – in den USA, Indien, Neuseeland und Nordirland.
Zumindest in den USA werden sie auch im Rahmen der Biowaffen-Abwehrforschung eingesetzt.
Der Vorfall wurde jetzt erst durch das Sunshine Project aufgedeckt. Mehr dazu in unserer (englischen) Presseerklärung vom 18. April 2005 unter http://www.sunshine-project.org/publications/pr/pr180405.html.


3. USA schließen Untersuchung des irakischen Waffenprogramms endgültig ab

Mit einem jetzt veröffentlichten Nachtrag zu dem im Sepember 2004 erschienenen vorläufigen Abschlussbericht hat die ISG, die US-geführte Untersuchungskommission im Irak, ihre Arbeit endgültig beendet.
Für den Biowaffenbereich haben sich demnach in den vergangenen Monaten keine neuen Erkenntnisse ergeben – im Nachtrag wird ausdrücklich festgehalten, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass heute noch Restbestände von Iraks früheren Biowaffen (aus der Zeit vor 1991) existieren, und falls doch, wären sie mittlerweile nicht mehr funktionsfähig.
Der Leiter der ISG, Charles Duelfer, weist ausdrücklich Verdächtigungen zurück, dass der Irak möglicherweise vor dem Krieg Massenvernichtungswaffen nach Syrien verschafft haben könnte. Dafür gebe es keinerlei Hinweise.
Bemerkenswert ist auch, dass Duelfer die Freilassung von WissenschaftlerInnen fordert, die an den früheren Waffenprogrammen beteiligt waren und jetzt noch in US-Haft im Irak sind. Viele von ihnen hätten gut mit der ISG kooperiert.
Der Nachtrag “Addendums to the Comprehensive Report of the Special Advisor to the DCI on Iraq’s WMD“ vom März 2005 kann unter http://www.cia.gov/cia/reports/iraq_wmd_2004/addenda.pdf heruntergeladen werden.


4. Neues Human Genome Diversity Project – Industrie untersucht genetische Vielfalt des Menschen

Die National Geographic Society hat in Kooperation mit IBM ein 5-Jahres-Projekt zur Erstellung einer Genealogie der Weltbevölkerung gestartet. Im Rahmen des „Genographic Project“ genannten Unterfangens sollen 100 000 Blutproben von Angehörigen indigener Völker weltweit gesammelt und genetisch analysiert werden. Laut gemeinsamer Presseerklärung der beteiligten Unternehmen geht es darum, Migrationswege unserer frühen Vorfahren nachzuzeichnen und Beziehungen sowie Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verstehen. (http://www.ibm.com/news/se/sv/2005/04/13-national.html)

Ein ähnliches Projekt wurde von Bevölkerungsgenetikern bereits 1991 unter dem Namen „Human Genome Diversity Project“ (HGDP) vorgeschlagen – nachdem ihm die öffentliche Unterstützung wegen seines rassistischen Beigeschmacks entzogen wurde, jedoch nur in sehr kleinem Maßstab durchgeführt.
Das damals zu Recht kritisierte HGDP wird nun unter anderem Namen, offensichtlich uneingeschränkt in privatwirtschaftlicher Regie durchgeführt werden. (New York Times, 13.04.2005)

Die dabei generierten bevölkerungsgenetischen Daten könnten auch für die Entwicklung ethnischer Waffen relevant sein. Mehr zu dieser Gefahr kann in einem Beitrag des Sunshine Project über Ethnowaffen auf unserer homepage unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2003/03_10_22_Ethnowaffen.html nachgelesen werden


5. Londoner “Rizin-Komplott” hat sich in Luft aufgelöst

Das im Januar 2003 in London vermeintlich aufgedeckte „Rizin-Komplott“ hat es nie gegeben. Eine Jury sprach nun alle bis auf einen der sieben als Terroristen verdächtigten Personen frei.
Sie waren nach einer Reihe von Hausdurchsuchungen im September 2002 und Januar 2003 – wobei in einer der durchsuchten Wohnungen angeblich Rizin gefunden worden war – verhaftet und beschuldigt worden, einen Rizinanschlag in London geplant zu haben. Darüber hinaus wurden ihnen Verbindungen zu Al Qaida und in den Irak unterstellt.
Colin Powell benutzte auch diese nunmehr unhaltbare Geschichte in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003 als ein Argument für den Irak-Krieg.
Mittlerweile ist bekannt geworden, dass bereits wenige Tage nach dem vermeintlichen Rizin-Fund klar war, dass es sich um einen falsch positiven Befund gehandelt hatte. Diese Information wurde jedoch offensichtlich zurück gehalten. Mehr hierzu unter http://www.globalsecurity.org/org/nsn/nsn-050411.htm sowie http://www.globalsecurity.org/org/nsn/nsn-050413.htm).


6. Diverses

Am 22. April jährte sich der Tag des ersten großen Giftgaseinsatzes in der Geschichte zum 90sten Mal. Am 22. April 1915 hatte die deutsche Armee in Ypern, einem belgischen Ort, britische und französische Truppen mit Chlorgas attackiert. Tausende alliierter Soldaten fielen diesem Angriff völlig unvorbereitet zum Opfer. (http://en.rian.ru/analysis/20050421/39720437.html)


China will die Ruinen des Lagers der berüchtigten japanischen Militäreinheit 731, die im 2. Weltkrieg in China grausame Biowaffenexperimente an Zivilisten und Kriegsgefangenen durchgeführt hatte, zum Weltkulturerbe erklären lassen. (Reuters, 19.04.2005; mehr über die Einheit 731 in unserem BW-Telegramm Nr. 8 unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/telegramme/Telegramm_8.html)


Die Heavy Metal Band „Anthrax“ widmet ihre neue Konzerttour, für die sie sich eigens wieder formiert hat, einer Kampagne gegen die umstrittenen Milzbrandimpfungen beim US-Militär. Startschuss der Tour war eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem National Vaccine Information Center und anderen US-Organisationen, die sich gegen die Impfung aussprechen. (http://www.pharmaceutical-business-...asp?guid=8A54E081-2D32-462E-ABFB-4B175C56A46F)
Erst kürzlich ist es den Anwälten des Pentagon gelungen, die Aufhebung einer richterlichen Verfügung, die die Fortführung der Milzbrandimpfungen untersagte, zu erzwingen. Sie bezogen sich dabei erfolgreich auf ein neues Gesetz, das die Verabreichung von nicht zugelassenen Medikamenten in Notfällen erlaubt. Das Pentagon beantragte die sogenannte „Emergency Use Authorization“ für die Milzbrandimpfungen beim Gesundheitsministerium und bekam sie auch im Januar. Allerdings dürfen die Impfungen nur auf freiwilliger Basis vorgenommen werden – zuvor waren sie verpflichtend und Verweigerungen wurden streng bestraft. (http://www.sciencedaily.com/upi/ind...cle=UPI-1-20050407-18340600-bc-us-anthrax.xml)


Die internationale Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity Worldwide (CSW) beschuldigt die burmesische Armee bei einem Angriff gegen Widerstandsgruppen im Norden des Landes am 15. Februar Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Mehr hierzu unter http://www.csw.org.uk/latestnews/PrintVersion/Burma_21_04_05_Print.htm.
Es ist uns aus der Entfernung unmöglich, den Wahrheitsgehalt solcher Vorwürfe zu beurteilen. Es kann sich auch um Propagandameldungen handeln. Andererseits sollten solche Anschuldigungen nicht ignoriert werden, da sie nicht zuletzt auch Hinweise auf politische Kampagnen bzw. Interessenslagen geben. Zudem kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass nicht doch etwas dran ist. Deshalb veröffentlichen wir derartige Vorwürfe, wann immer wir davon mitbekommen.

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Biowaffen-Telegramm Nr. 39

Sunshine-Project – 31. Mai 2005

WHA zu Pockenviren ... Studie zu UNMOVIC-Nachfolgeorganisation ... stabileres Botulinum ... Strafgelder wegen Tularämieinfektionen ...

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins --

Sunshine Project e.V. ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
Konto: Sunshine Project e.V. – Hamburger Sparkasse – BLZ 200 505 50 – Konto 1250 1252 73

Termine:

Vom 13. - 24. Juni 2005 findet ein Expertentreffen der Biowaffenkonvention in Genf statt (zur Vorbereitung des Vertragsstaatentreffens vom 5. - 9. Dezember). Auf der Agenda: Verhaltenskodizes für WissenschaftlerInnen.

Veröffentlichungen:

Auf der website http://www.thememoryhole.org wurden kürzlich bis dato nicht bekannte Details über das offensive Biowaffenprogramm der USA der 60er Jahre veröffentlicht. Es handelt sich um die Titel und Inhaltsverzeichnisse von Air Force-Berichten zu ihren Aktivitäten im Biowaffenbereich. Der direkte link: http://www.thememoryhole.org/mil/afatl/


Jez Littlewood: The Biological Weapons Convention: A Failed Revolution, 2005 – eine Analyse der gescheiterten Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll zur Stärkung der Biowaffenkonvention; geschrieben von einem Insider, der von 1998 bis 2002 für das Sekretariat der Biowaffenkonvention in Genf arbeitete.


1. Gentechnik mit Pockenviren: Teilerfolg

Mitgliedsstaaten der World Health Assembly (WHA), die am 25. Mai zu Ende ging, haben die WHO aufgefordert, die auf dem Tisch liegenden Vorschläge zur Ausdehnung von riskanten Experimenten mit Pockenviren sowie Strukturen und Mandat des für diese Vorschläge verantwortlichen Komitees (Advisory Committee on Variola Virus Research – VAC) zu überdenken.

Die meisten der Länder, die sich auf der WHA zum Thema Pockenforschung zu Wort meldeten, äußerten ernsthafte Bedenken gegenüber einer Ausweitung der Forschung. Ihre Forderungen enthielten unter anderem eine klare Terminierung laufender Forschungen, ein neues Datum für die endgültige Zerstörung der bestehenden Vorräte an Pockenviren, mehr Transparenz und strengere Überwachungsmechanismen, die unabhängig sowie wissenschaftlich und regional ausgewogen sein sollten.

Leider wurde auf der WHA nicht über die Empfehlungen des VAC abgestimmt. Das WHO-Sekretariat setzte sich in seiner anschließenden Presseerklärung über die vielen kritischen Stimmen hinweg und erwähnte lediglich, dass die Empfehlungen diskutiert wurden. (http://www.who.int/mediacentre/news/notes/2005/np_wha02/en/index.html)

Offensichtlich beabsichtigt die WHO jedoch, zumindest einen Teil der geplanten gentechnischen Versuche in Zukunft zu genehmigen. Nur der Plan, Gene von Pockenviren auf andere, verwandte Virenarten zu übertragen, wurde vom Genderaldirektor der WHO abgelehnt. (Einen Überblick über die Debatte gibt der Artikel „WHA Gives Yellow Light for Variola Studies“ in Science vom 27.05.2005)

Third World Network und Sunshine Project fordern von der WHO, die Bedenken der Mitgliedsstaaten nicht einfach zu ignorieren. Zunächst muss die Struktur des VAC grundlegend reformiert werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass WissenschaftlerInnen nicht ihre eigenen Forschungsvorhaben begutachten, dass bislang außer Acht gelassene Aspekte wie Öffentliche Gesundheit und Biosicherheit berücksichtigt werden und eine regionale Balance in der personellen Zusammensetzung hergestellt wird.
Ein in dieser Weise reformiertes VAC sollte neue Vorschläge für den weiteren Umgang mit den vorhandenen Pockenbeständen erarbeiten. Parallel dazu sollte die WHO eine Resolution mit einem neuen Datum für die Zerstörung der Restbestände vorbereiten.


2. Eine dauerhafte UN-Institution zur Verfikation im ABC-Waffenbereich – notwendig und machbar!

Am 10. Mai wurde in New York eine Studie zur Notwendigkeit, den möglichen Aufgaben sowie der Realisierbarkeit einer dauerhaften UN-Institution für die Überwachung der internationalen Abkommen im ABC-Waffenbereich präsentiert. Titel: A STANDING UNITED NATIONS WMD VERIFICATION BODY: NECESSARY AND FEASIBLE.
Diese bislang umfangreichste und sehr fundierte Studie zu einer möglichen Nachfolgeorganisation der UNMOVIC wurde von Trevor Findlay von der kanadischen Carlton Universität erarbeitet. Sie ist online zu finden unter http://www.carleton.ca/npsia/research_centres/docs/UN_WMD.pdf.

Im Kern spricht sich Findlay dafür aus, dass der UN Sicherheitsrat die Einrichtung einer festen Institution zur Kontrolle von Masssenvernichtungswaffen beschliesst, um die einmalige Expertise der UNMOVIC zu erhalten. Das Mandat der UNMOVIC (UN Monitoring, Verification and Inspection Commission) ist ausschließlich auf den Irak begrenzt, deshalb können die Waffeninspekteure der UNMOVIC bislang nicht in anderen Bereichen tätig werden.
Obwohl die UN-Inspektionen im Irak seit dem Kriegsbeginn im März 2003 ruhen, wurde die UNMOVIC bislang noch nicht aufgelöst. Es ist jedoch damit zu rechnen, das der Sicherheitsrat noch im Laufe des Jahres endgültig über die Zukunft der UNMOVIC – aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Auflösung – entscheiden wird.

Mehr über die UNMOVIC, ihre Erfolge und die Möglichkeiten einer dauerhaften Institution findet sich in einem Hintergrundbericht auf unserer homepage unter http://www.sunshine-project.de/infos/aktuelles/2004/04_03_30_Zukunft UNMOVIC.html.


3. US-Wissenschaftler will stabileres Botulinum entwickeln

Das National Institute of Allergy and Infectious Disease (NIAID) hat eine Million Dollar für Biowaffen-Abwehrforschung zu Botulinum-Toxin an einen Wissenschaftler des Scripps Research Institute vergeben. Auf der Suche nach therapeutischen Ansätzen gegen das Nervengift des Botulinum-Bakteriums will der Wissenschaftler nach eigenen Angaben zunächst eine stabilere Form des Botulinum entwickeln, weil diese sich leichter erforschen lasse. (Palm Beach Post, 10.05.2005, http://www.palmbeachpost.com/business/content/local_news/epaper/2005/05/10/m4b_botulism_0510.html)

Dies ist ein sehr eindeutiges Beispiel für Abwehrforschung wie sie nicht erfolgen sollte. Die Entwicklung eines stabileren Botulinums ist ein offensives Projekt, egal unter welchem Deckmantel sie stattfindet.


4. Tularämieinfektionen: Arbeitsschutzbehörde verhängt Strafgelder gegen Boston University

Die zuständige U.S. Arbeitsschutzbehörde (Labor Department’s Occupational Safety and Health Administration / OSHA) hat ihre Untersuchung der Tularämieinfektionen von drei Wissenschaftlern der Boston University abgeschlossen (wir berichteten über den Fall im BW-Telegramm Nr. 35). Sie stellte schwere Verstöße gegen Sicherheitsvorkehrungen fest – erforderliche Schutzkleidung sei nicht getragen worden. Die Behörde verhängte ein Strafgeld von 8.100 Dollar gegen die Universität. (OSHA News Release, 09.05.2005)

Weiterhin ungeklärt bleibt unterdessen, warum die Proben, mit denen die Wissenschaftler arbeiteten, entgegen deren Annahme überhaupt virulente Stämme enthielten.


5. Diverses

Milzbrandbriefe: Die Klage von Maureen Stevens, der Witwe des ersten Opfers der Milzbrandbriefe, gegen die US-Regierung wird nicht abgewiesen. Dies entschied ein U.S. Richter am 18. April. Stevens begründet ihre Klage damit, dass Sicherheitsmängel am USAMRIID (U.S. Army Medical Research Institute of Infectious Diseases) die Milzbrandanschläge überhaupt erst möglich gemacht hätten. Das Urteil des Richters gibt dem Anwalt von Stevens auch das Recht auf Zugang zu Untersuchungs-Unterlagen des FBI, die bislang zurückgehalten wurden.
Auch Stephen Hatfill, der vom FBI öffentlich als Verdächtiger gehandelt wurde und darauf hin eine Klage gegen die Regierung anstrengte, soll gemäß eines richterlichen Urteils vom 21. April Einsicht in bislang unter Verschluss gehaltene Unterlagen der FBI-Untersuchung erhalten. (Palm Beach Post, 14.05.2005, http://www.palmbeachpost.com/localnews/content/local_news/epaper/2005/05/14/s1c_BRLAWSUIT_0514.html)


Japan will die Vernichtung von Restbeständen seiner chemischen Waffen in China aus dem 2. Weltkrieg beschleunigen und damit einen Beitrag zur Entschärfung der Spannungen zwischen beiden Staaten leisten. (Guardian, 16.05.2005, http://www.guardian.co.uk/print/0,3858,5194221-108018,00.html)


Im Dezember 2004 erschien ein über 600 Seiten starkes Werk zur Biowaffen-Abwehrforschung. Viele der beteiligten AutorInnen stammen vom USAMRIID (U.S. Army Medical Research Institute of Infectious Diseases) – dem Zentrum der US-Biowaffen-Abwehrforschung.
Luther E. Lindler, Frank J. Lebeda, George W. Korch (Ed.): Biological Weapons Defense: Infectious Disease and Counterbioterrorism



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Biowaffen-Telegramm Nr. 40

Sunshine-Project – 30. Juni 2005

UNMOVIC ... Biowaffenkonvention ... Giftmilch-Märchen ... Scheinkontrolle für Hochsicherheitslabor ...

-- Erstellt mit Mitteln des Greenpeace Magazins --

Sunshine Project e.V. ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
Konto: Sunshine Project e.V. – Hamburger Sparkasse – BLZ 200 505 50 – Konto 1250 1252 73


Veröffentlichungen:

Seit dem 14. Juni 2005 ist der BioWeapons Monitor online verfügbar, eine Datenbank in der weltweite Informationen zu biowaffenrelevanten Aktivitäten von Staaten und anderen Akteuren zusammen getragen werden. Ziel ist eine Erhöhung der Transparenz und damit die Möglichkeit einer zivilgesellschaftlichen Kontrolle über die Einhaltung der Bestimmungen der Biowaffenkonvention. Einsehbar ist der BioWeapons Monitor auf der Internetseite des BioWeapons Prevention Project unter http://www.bwpp.org.

1. UNMOVIC: Lessons learned

In ihrem 21. Vierteljahresbericht vom 27. Mai 2005 geben die UN-Waffeninspektoren Einblick in wichtige Lehren die sie aus ihrer vierzehnjährigen Arbeit im Irak gezogen haben und die essentiell für den Erfolg zukünftiger Waffeninspektionen sein können. Im Appendix ab Seite 16 geht es speziell um „lessons learned“ in Bezug auf Biowaffen-Inspektionen, so zum Beispiel die Identifizierung von Produktionsstätten.

In dem Bericht wird zudem die Zahl der im Nachkriegs-Irak geplünderten, dem Monitoring auf verbotene Waffen unterliegenden Anlagen auf 109 beziffert. In diesen Anlagen befanden sich Materialien, die für die Herstellung von Bio und Chemiewaffen sowie Langstreckenraketen verwendet werden können, aber auch im zivilen Bereich einsetzbar sind.

Detailliert wird aufgelistet, welche waffenrelevanten Materialien zuvor erfasst worden waren und bei welchen der Verbleib nach den Plünderungen unklar ist. Da den UN-Inspektoren eine Rückkehr in den Irak nicht möglich ist, basieren ihre Analysen auf der Auswertung von Satellitenbildern.

Der Bericht ist einsehbar unter http://www.un.org/Depts/unmovic/new/pages/last_quarterly_report.asp


2. Expertentreffen der Biowaffenkonvention zu Verhaltenskodizes

Vom 13.-24. Juni fand in Genf ein Expertentreffen zur Vorbereitung des Vertragsstaatentreffens der Biowaffenkonvention im Dezember statt. Auf der Tagesordnung standen Verhaltenskodizes für WissenschaftlerInnen. Im Bioweapons Monitor (s.o.) sind alle formalen Dokumente sowie die Präsentationen, die auf dem Expertentreffen gemacht wurden, einsehbar.

Auf der homepage des BioWeapons Prevention Project direkt (http://www.bwpp.org) veröffentlicht sind zudem einige Präsentationen von Nichtregierungsorganisationen, die teilgenommen haben.
So zum Beispiel die des Center for Arms Control and Non Proliferation, das die Verantwortung für ethisches Verhalten in der Wissenschaft nicht ausschließlich bei den WissenschaftlerInnen angesiedelt wissen will, sondern auch bei den jeweiligen Regierungen. Dies gilt insbesondere für Staaten, die Biowaffenabwehrprogramme unterhalten. Gefordert wird die Entwicklung eines Verhaltenskodex für Regierungen, der von allen Vertragsstaaten der BWK angenommen und implementiert werden sollte.


3. Giftmilch-Märchen

Eine wissenschaftliche Studie, die besagt, dass es für Terroristen ein Leichtes sei, Botulinum Toxin zu produzieren und damit mehrere hunderttausend Liter Milch zu vergiften, hat in den USA für einigen Wirbel gesorgt.
Nachdem bereits Auszüge davon in der New York Times vom 30. Mai veröffentlicht worden waren, wurde die vollständige Veröffentlichung in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) auf Betreiben des Gesundheitsministeriums vier Wochen lang zurückgehalten. Vertreter des Ministeriums vertraten die Auffassung, dass sie eine Anleitung für Terroristen darstellen könnte.

Wie andere Biowaffen-Experten auch, halten wir die Studie für wissenschaftlich unhaltbar. Sie basiert auf völlig falschen Voraussetzungen, so zum Beispiel, dass es nur einer Internet-Anleitung bedürfe, um selbst Botulinum Toxin herzustellen, oder dass es einen Schwarzmarkt für Botulinum Toxin geben würde. Mit solchen Studien wird lediglich die Bioterror-Hysterie in den USA in unverantwortlicher Weise weiter angeheizt.

So wichtig die Debatte über Grenzen der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Studien, die für terroristische Zwecke missbraucht werden könnten, auch ist, diese Studie eignet sich nicht als Beispiel oder gar als Präzedenzfall dafür.

Die Studie wurde am 28. Juni in den PNAS veröffentlicht, einsehbar unter http://www.pnas.org/cgi/reprint/0408526102v1.


4. Scheinkomitee zur Überwachung von Hochsicherheitslabors an der BU gegründet

Ein neu gegründetes wissenschaftliches Komitee zur Überwachung von Forschung und Sicherheit an dem geplanten Hochsicherheitslabor der Boston University (BU) ist alles andere als unabhängig. Dies ergaben Recherchen einer lokalen Initiative über die Beziehungen der berufenen WissenschaftlerInnen zur BU.

Gefordert wurde die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungs-Komitees für das neue Labor, in dem Biowaffen-Abwehrforschung betrieben werden soll, aufgrund der im Januar 2005 bekannt gewordenen Tularämieinfektionen dreier WissenschaftlerInnen in einem bereits bestehenden Labor der BU (mehr hierzu siehe BW-Telegramm Nr. 35). Das National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) setzte dann im März ein solches Komitee ein.

Die Nachforschungen der lokalen Initiative ergaben, dass alle acht eingesetzten WissenschaftlerInnen mehr oder weniger eng mit der BU verflochten sind. In den extremsten Fällen sind direkte finanzielle Interessen an der Einrichtung des neuen Hochsicherheitslabors im Spiel oder eigene Forschungsvorhaben, die in dem neuen Labor durchgeführt werden sollen. (Der Bericht ist leider nicht online verfügbar, kann bei Interesse jedoch bei uns angefordert werden.)

Weder BU noch NIAID scheinen ein Interesse an einer wirklich unabhängigen Kontrolle des neuen Hochsicherheitslabors zu haben.
Mehr zur Initiative gegen das BU-Labor auf der Internetseite von „Alternatives for Community & Environment“ unter http://www.ace-ej.org/BiolabWeb/biolab.html)

80 Millionen Dollar für zwei weitere „Centers of Excellence“

Vom U.S National Institute of Allergy and Infectious Diseases wurden die vorerst letzten 80 Millionen Dollar für die Komplettierung eines Netzwerks von regionalen „Centers of Excellence“ für die Biowaffenabwehrforschung vergeben. Die Gelder gingen an die University of California, Irvine sowie der Colorado State University.
Damit gibt es nunmehr insgesamt 10 solcher „Regional Centers of Excellence“ in den USA. (Global Security Newswire, 01.06.2005, http://www.nti.org/d_newswire/issues/print.asp?story_id=C7C24691-9241-4561-A0D4-914A9B3E2AFD)

Ein Überblick über alle bestehenden und geplanten Labors der Biowaffenabwehrforschung in den USA findet sich auf der homepage unserer US-Kollegen unter http://www.sunshine-project.org/biodefense.


5. Diverses

Ypern – der belgische Ort, an dem am 22. April 1915 zum ersten Mal in der Geschichte Chemiewaffen großflächig von der deutschen Armee zum Einsatz gebracht wurden – und Sardasht – die iranische Stadt, in der im Juni 1987 viele Menschen durch einen Giftgas-Angriff der Iraker ums Leben kamen – wollen sich verschwistern, um in Zukunft die Welt gemeinsam an die grausamen Auswirkungen dieser Waffen zu erinnern. (IRNA, 07.06.2005, http://www.irna.ir/index2.php?option=com_news&task=print&code=0506070020005105&Itemid=234&lang=en)


In China kam es abermals zu einem Zwischenfall mit alten japanischen Chemiewaffen aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Mal wurden drei Personen durch die Inhalation der aus den Waffen leckenden giftigen Gase verletzt. Das japanische Außenministerium entschuldigte sich bei China offiziell wegen dieses Vorfalls. (Reuters, 27.06.2005)


Nach zwei Jahren Proliferation Security Initiative (PSI) hat die US-Regierung eine erste, sehr positive Bilanz gezogen und es als erfolgreiches Instrument für die Proliferations-Bekämpfung bewertet.
Eine etwas nüchternere Sicht auf Erreichtes, Mängel und Potentiale von PSI liefert dagegen ein Papier der Carnegie Endowment for International Peace vom April 2005, einsehbar unter http://www.carnegieendowment.org/npp/publications/index.cfm?fa=view&id=16827.


Ein Expertenausschuss der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung eines ethnisch spezifischen Herzmedikamentes empfohlen. Das Medikament namens BiDil soll Studien zufolge bei Menschen mit schwarzer Hautfarbe besser wirken als bei anderen – warum dies so ist, können die WissenschaftlerInnen nicht erklären. Vor dieser Entdeckung bemühten sich Entwickler und Hersteller von BiDil jahrelang vergeblich um eine Zulassung. (Die Zeit, 22.06.2005)


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Kommentar von Jan van Aken,
17. November 2005, http://www.zeit.de

Amerikanische Soldaten haben im Irak Brandbomben eingesetzt. In einem
blutigen Krieg, der bislang 30.000 irakischen Zivilisten und 2.000
amerikanischen Soldaten das Leben kostete, ist das auf den ersten Blick
eine eher banale Meldung. Trotzdem hat sie dieser Tage einen weltweiten
Sturm der Entrüstung ausgelöst und die amerikanische Regierung zu einer
weiteren Kriegslüge verleitet.

Die Entrüstung beruht zunächst einmal auf einem Missverständnis: Der
italienische Fernsehsender RAI warf den USA letzte Woche vor,
Chemiewaffen im Irak eingesetzt zu haben, und belegte dies mit Bildern
von Phosphorbomben, die im April 2004 beim Sturm auf Fallujah eingesetzt
wurden. Brandwaffen fallen jedoch keineswegs unter das weltweite
Chemiewaffenverbot.

Nur solche Chemikalien, die qua ihrer Giftigkeit Menschen verletzen,
verstümmeln oder töten, sind verboten. Alle anderen Substanzen, die ihre
tödliche Wirkung auf andere Weise entfalten - brennen, schießen,
explodieren -gelten nicht als chemische Waffen. Der süffisante Vorwurf,
dass die US-Regierung jetzt im Irak genau die verbotenen Waffen
einsetzt, die zuvor noch als vorgeschobener Kriegsgrund herhalten
mussten, läuft also in diesem Fall vollkommen ins Leere. Es gibt auch
kein anderes internationales Abkommen, dass den Amerikanern verbieten
würde, mit Brandmunition auf gegnerische Kämpfer zu schießen.

Spannend ist allerdings die Frage, warum das Pentagon trotz dieser
klaren Rechtslage zunächst hektische Dementis verbreiten ließ und darauf
beharrte, dass Phosphor im Irak ausschließlich eingesetzt wurde, um bei
nächtlichen Gefechten das Kampfgeschehen zu beleuchten. Erst als sich
herausstellte, dass selbst US-Soldaten und unter Zensur stehende
,eingebettete' Journalisten bereits vor Jahresfrist den gezielten
Einsatz von Phosphormuniton gegen Menschen in allen Einzelheiten
beschrieben hatten, wurde dies auch von offizieller Seite eingestanden.

Die Berichte decken sich und zeigen nichts anderes als die tägliche
Grausamkeit und Verrohung im Kriege. Wenn feindliche Kämpfer nicht
einfach erschossen oder ausgebombt werden können, weil sie sich in
Häusern oder Höhlen verstecken, dann werden sie mit weißem Phosphor
beschossen, der sich an der Luft von selbst entzündet und sich durch die
Haut bis auf die Knochen seiner Opfer frisst. Wer noch laufen kann und
seine Deckung verlässt, wird erschossen. Diese Mischung aus Brandbomben
und scharfem Beschuss wird in der US-Armee lapidar als "shake 'n' bake"
bezeichnet - in Anlehnung an eine amerikanische Fertiggericht-Marke.

Da kommen Bilder aus längst vergangen geglaubten Zeiten wieder hoch:
Kinder, die einem Napalm-Angriff zu entfliehen versuchen und doch schon
lichterloh in Flammen stehen; vietnamesische Soldaten, die mit Tränengas
aus ihren Höhlen getrieben und dann erschossen werden. Es ist der Geist
von Vietnam, der hier heraufbeschworen wird und den das amerikanische
Establishment momentan stärker fürchtet als alles andere.

Noch ist die Diskussion um Parallelen zwischen Vietnam- und Irak-Krieg
auf enge akademische Zirkel und eingefleischte Kriegsgegner in den USA
begrenzt. Doch Brandbilder aus dem Irak könnten die Debatte nur
allzuschnell emotionalisieren, das Gespenst von Vietnam wieder aufleben
und damit die Zustimmung der Amerikaner für den Krieg im Irak noch
weiter abstürzen lassen. Im Krieg um die Köpfe hat Washington jetzt zum
Mittel der Lüge gegriffen und damit das alte Diktum bestätigt, dass das
erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist.


Jan van Aken
Sunshine Project
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Weltgesundheitsorganisation berät über Vernichtung von Pocken-Viren
Offener Brief des Sunshine Project an die EU-GesundheitsministerInnen
Am 22. Mai beginnt in Genf die nächste World Health Assembly, auf der auch die endgültige Vernichtung von Pockenviren auf der Tagesordnung steht. Bis es so weit ist, sollen Versuche mit lebenden Pockenviren auf ein Minimum beschränkt werden – wenn sich die Vernunft in Genf denn durchsetzen kann. Die USA propagieren eine ungehemmte Pockenforschung, wollen Pockenviren auch gentechnisch verändern und die tödlichen Viren unbegrenzt weiter in ihren Labors lagern. In Amerika ist es seit langem vor allem das Verteidigungsministerium, dass sich gegen eine Vernichtung der Viren sperrt

Bereits im vergangenen Jahr hatte das Sunshine Project gemeinsam mit anderen internationalen Organisationen eine Kampagne gegen gentechnische Versuche mit Pockenviren gestartet - mit beachtlichem Erfolg: So wurde es grundsätzlich verboten, Pockengene in andere Viren einzusetzen. Andere Versuche werden mittlerweile von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zunehmend kritischer gesehen.

Gemeinsam mit dem Third World Network hat das Sunshine Project heute einen offenen Brief an alle Gesundheitsminister(innen) in der EU geschickt. Ziel der Sunshine-Kampagne ist es, auf der kommenden World Health Assembly zumindest die folgenden vier Forderungen durchzusetzen:

Ein vollständiges Verbot der gentechnischen Veränderung von Pockenviren sowie der Verbreitung von Pocken-DNA für Forschungszwecke. Allein für diagnostische Zwecke ist die Verbreitung von kleinen Stücken der Pocken-DNA noch notwendig.
Keine weitere Forschung mit lebenden Pockenviren für diagnostische Zwecke, für die Impfstoff-Entwicklung oder für die Sequenzermittlung von Pocken-DNA. In diesen Bereichen sind nach Einschätzung praktisch aller Experten die gesteckten Ziele erreicht, hier kann künftig auch ohne lebende Pockenviren geforscht werden.
Festlegung eines neuen, endgültigen Datums für die Vernichtung der letzten Pockenviren, bevorzugt bereits im Jahre 2008, auf keinen Fall jedoch später als 2010.
Eine grundlegende Reform des WHO-Aufsichtskomitees für Pockenforschung. In der jetzigen Zusammensetzung hat das Komitee vollkommen versagt und erst auf internationalen Druck im letzten Jahr begonnen, eine wirklich kontrollierende Funktion auszuüben. Es kann nicht sein, dass dort vor allem Pockenforscher sitzen, die über ihre eigene Forschung zu befinden haben. Die Mehrzahl der Mitglieder sollte sich nicht der Pockenforschung, sondern dem öffentlichen Gesundheitswesen verpflichtet fühlen. Auch sollten die Sitzungen des Komitees öffentlich werden. Die EU sollte die Arbeit des Komitees mitfinanzieren. Bislang wird es ausschließlich mit Geld aus den USA betrieben, deren Einfluss auf die Beschlüsse dementsprechend deutlich spürbar ist.
Mehr zur diesjährigen Kampagne vom Sunshine Project und dem Third World Network finden Sie unter http://www.smallpoxbiosafety.org. Untenstehend der englische Wortlaut des Briefes an die EU-Gesundheitsminister.
Mit meinen besten Grüßen

Dr. Jan van Aken

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Tel.: 040 431 88 001
Mobil: 0163 431 88 00
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Open Letter to European Union Health Ministers

10 May 2006

Dear EU Ministers of Health
Dear EC Health Commissioner,

We write to urge the European Union and its Member States to support a resolution at the upcoming 59th World Health Assembly (WHA) (22-27 May 2006) that fixes a new date for the destruction of all remaining stocks of smallpox (Variola) virus, that prohibits genetic engineering of smallpox and distribution of viral DNA for non-diagnostic purposes and which withdraws WHA authorization for the retention of virus stocks for the already accomplished purposes of sequencing and development of diagnostics and vaccines.

Since natural transmission of smallpox was ended in 1977, World Health Organization (WHO) Member States have sought eradication of the virus by the destruction of remaining virus stocks. Early efforts to reduce the number of institutions holding such stocks met with success, and today variola virus is held at only two WHO Collaborating Centres, in Russia and the United States.

Despite WHA resolutions that these stocks be destroyed, neither the US nor Russia has done so. In 2002 the WHA began to slide backwards in its determination to see smallpox eradicated, most notably in Resolution 55.15, wherein it approved an overbroad smallpox research agenda and simultaneously ceased to insist on a deadline for destruction of the stocks.

The foreseeable result of the WHA's retreat were the recommendations tabled by the Advisory Committee on Variola Virus Research in 2005. The Committee recommended approval of genetic engineering of smallpox, insertion of smallpox genes in other orthopoxviruses, and unlimited distribution of smallpox DNA segments. These recommendations collectively could result in the creation of viruses even more dangerous than smallpox and are potentially tantamount to permitting distribution of smallpox virus itself - an unravelling of decades of international collaboration to eradicate this most dangerous virus.

While the Advisory Committee, at the urging of the WHO Director-General, has since withdrawn its recommendation to permit insertion of smallpox genes into other orthopoxviruses, many more steps must be taken for the WHA to return to the path of virus destruction. We therefore urge you to take the following steps at the 2006 WHA:

Prohibition of Genetic Engineering of Smallpox and Distribution of Smallpox DNA for Non-Diagnostic Purposes: In 2005, many objections were raised to these recommendations and, in response, the WHO Secretariat took special note of these objections. Yet the Advisory Committee has not reconsidered these recommendations and their status is dangerously ill-defined. The 59th WHA should remedy this situation by specifically directing the Director-General, in a resolution, to reject
a) any smallpox genetic engineering experiment and
b) any distribution of smallpox DNA for non-diagnostic purposes. Consequently, the Advisory Committee should be requested to withdraw these two proposals.

End WHA Authorization for the Retention of Smallpox Virus for DNA Sequencing, Diagnostics and Vaccines: Broad agreement exists that sufficient sequences of smallpox strains have been obtained, rapid and accurate diagnostics have been developed, and that effective vaccines exist that do not require the smallpox virus. Therefore, the WHA should bring to an end research involving live smallpox virus on these items by explicitly withdrawing its temporary authorization for the retention of smallpox virus stocks for these three purposes in its resolution.

Establishment of a New Destruction Date for Smallpox Virus: The remaining smallpox virus stocks will never be destroyed without a new date being fixed. For four years, the two smallpox virus research programmes have operated without a destruction date and, in that time, they have sought to further expand permitted smallpox virus research, rather than stepping toward consensus on a destruction date. A new date of destruction for all remaining smallpox virus stocks should be set, preferably by 30 June 2008; but no later than 30 June 2010.

Reform of the Advisory Committee on Variola Virus Research: The Advisory Committee has failed in its task of implementing WHA's mandate to control variola virus research and to determine what research, if any, is essential. Only at its seventh meeting did it move to take basic steps required to oversee a research programme (such as a format and presentation and review of proposals) and, alarmingly, it had to request that the repositories submit descriptions of ongoing research. The Advisory Committee and its advisors are not geographically and scientifically balanced, it lacks transparency, and it is principally funded by a single Member State.

In its resolution in 2006, the WHA should open the Advisory Committee's meetings to non-governmental observers, improve representation from developing countries, and better balance the committee by increasing the representation of public health fields. It should also be expressly required to report all new recommendations and the implementation of prior recommendations to the WHA. This should include all approved research proposals, safety documentation, and research results. These important reforms may be undertaken as directions to the Director-General.

In particular, the European Union and its Member States could play a key role, by helping to diversify the Advisory Committee's sources of funding. This could include voluntary contributions from European WHO Member States for the operations of the Committee, for example, to fund travel costs for developing country Committee members, advisors, and observers. Alongside other reforms, this could help rectify the imbalances evident in attendance at the Committee's meetings to date.

Smallpox will never be truly eradicated if WHO Member States do not confront the final hurdle of ensuring that the remaining stocks of smallpox virus are destroyed. This year there are particular opportunities, as the WHA will consider a draft resolution that contains (sometimes in brackets) many of the steps that we have asked you to support in this letter.
We urge the European Union and its Member States to step forward and to work with developing countries to put the smallpox virus stocks back on a fast track to destruction.
Sincerely,

Martin Khor, Director, Third World Network

Edward Hammond, Director, The Sunshine Project

Contact:
Ms. Yvonne Miller
Third World Network - Geneva
rue de Lausanne 36
1201 Geneva Switzerland
E-mail: ymiller@twngeneva.ch[/url]
tel: + 41 22 908 35 50 fax: + 41 22 908 35 51
http://www.smallpoxbiosafety.org
 
Sehr geehrte Damen und Herren,

seit mehreren Wochen hält sich international hartnäckig das Gerücht,
dass die israelische Armee möglicherweise Chemiewaffen im Libanon oder
im Gaza einsetzt. Besonders oft zitiert wurde dabei Prof. Bachir Cham
von einem Krankenhaus in Sidon, in dem Mitte Juli acht Leichen
eingeliefert wurden, die unnatürlich schwarz gefärbt waren, ohne jedoch
Verbrennungen aufzuweisen. Prof. Cham informierte daraufhin die
internationale Presse und äußerte den Verdacht auf Chemiewaffen. Als
international renommierter Herzspezialist fand seine Schilderung
weltweit Beachtung, obwohl eine Schwarzfärbung der Haut zunächst kein
wirklicher Hinweis auf eine Chemiewaffe ist.

Am Montag dieser Woche hat nun das ARD-Magazin "Report Mainz" einen sehr
guten Beitrag zu dieser Frage gesendet. Mit Hilfe von zwei
MitarbeiterInnen von medico international hat das Magazin Gewebeproben
von den acht Opfern in Sidon erhalten, die vom Institut für Forensische
Medizin der Frankfurter Universität untersucht wurden. Die Probenahme
vor Ort in Sidon wurde gefilmt, die Proben professionell versiegelt und
persönlich nach Frankfurt gebracht. Auf der Basis einer mikroskopischen
Analyse befand der Direktor des Forensischen Institutes, dass es sich
bei der Schwarzfärbung der Leichen um Ruß handelt, der sich äußerlich
auf der Haut abgelagert hatte. Das gesamte Hautgewebe war in allen
Schichten unbeschädigt. Wörtlich heißt es in seinem Abschlussgutachten:

"/Als Todesursache kann an eine Rauchgasvergiftung oder Sauerstoffmangel
durch Feuer in einem mehr oder minder abgeschlossenen Raum gedacht
werden, die schwärzlichen Auflagerungen auf der Haut sind nicht zur
Erklärung des Todes geeignet.

Ohne eine Obduktion und chemisch-toxikologische Untersuchung des Blutes
auf Rauchgase (Kohlenmonoxid, Blausäure) ist die die Todesursache nicht
klärbar. Ansonsten fanden sich nirgendwo Spuren thermischer Einwirkungen
und das Gesamtbild der Haut bot in allen Schichten ein normales
anatomisch korrektes Bild.
(...)
Auch die Einwirkung bekannter Gifte auf die Haut kann ausgeschlossen
werden, weil auch dann spezifische Veränderungen zu erwarten gewesen
wären, die aber nicht vorlagen. Die Einwirkung von Mikrowellen hätte
ebenfalls zu einer Erhitzung des Gewebes mit entsprechenden
Veränderungen geführt, die aber gleichfalls fehlten.

Die russartigen Auflagerungen auf der Haut erklären zum Einen die
Schwarzfärbung der Leichen, zum Anderen sprechen sie dafür, dass die
Betreffenden zu Lebzeiten oder nach dem Tode über einige Zeit einer
Rußwolke ausgesetzt waren."/

Damit bleibt die Todesursache weiter offen, aber der ursprünglich Grund,
der überhaupt erst zu dem Chemiewaffen-Verdacht geführt hat -- die
Schwarzfärbung der Haut -- hat mit der Russablagerung eine ganz einfache
Erklärung gefunden. Chemiewaffen, die über die Haut wirken, konnten
ausgeschlossen werden.

Nun ist ein negativer Befund in einem Falle natürlich kein Gegenbeweis,
aber bei allen Spekulationen über den möglichen Einsatz von chemischen
oder anderen verbotenen Waffen im Libanon sollte nicht vergessen werden,
dass in fast jedem Krieg jede Seite der jeweils anderen den Einsatz von
biologischen oder chemischen Waffen vorwirft -- das scheint mittlerweile
zum Standard im internationalen PR-Geschäft zu gehören.

Manchmal ist etwas dran an diesen Vorwürfen, wie Anfang der 1980er Jahre
im Iran-Irak-Krieg, als eine unabhängige UN-Kommission den Einsatz von
Chemiewaffen durch den Irak nachweisen konnte. Meist lassen sich solche
Verdächtigungen jedoch nicht erhärten. Auch im aktuellen Krieg im
Libanon gibt es aus meiner Sicht bislang keinen glaubhaften Hinweis
darauf, dass dort andere als die üblichen grausamen Kriegswaffen
eingesetzt wurden: Panzer und Gewehre, Bomben und Granaten....

Der ARD Beitrag (Text und Video) sowie das Gutachten des Forensischen
Institutes sind online zu finden unter
http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=1386352/1fzat6m/index.html.


Mit besten Grüßen,
Jan van Aken

Sunshine Project Deutschland
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*In China leiden bis heute Menschen unter den Folgen der japanischen
Biowaffen-Angriffe im 2. Weltkrieg -- jetzt wehren sie sich*

Die japanische Armee entwickelte im 2. Weltkrieg in der besetzten
Mandschurei biologische Waffen. Bei grausamen Menschenversuchen wurden
Tausende von Kriegsgefangenen getötet. Ab 1940 setzte die japanische
Armee die biologischen Waffen dann mehrfach in China ein. Einige
Überlebende werden seit über 60 Jahren von schmerzhaften eitrigen Wunden
an den Beinen gepeinigt, die damals von den biologischen Waffen
verursacht wurden. Vor zehn Jahren taten sich die Opfer zusammen und
verklagten die japanische Regierung auf Schadensersatz. Jetzt liegt der
Fall vor dem obersten Gerichtshof in Tokio, mit einer Entscheidung ist
in Kürze zu rechnen.

Im Juni 2006 hatte ich die Gelegenheit, mit dem renommierten Fotographen
Matthias Ziegler die chinesische Provinz Zhejiang zu bereisen und dort
mit Opfern, ihren Verwandten, örtlichen Gesundheitsbehörden und
Aktivisten in der Region zu sprechen. Eine Reportage über die
vergessenen Biowaffen-Opfer von Zhejiang wurde im August 2006 im
Greenpeace Magazin veröffentlicht, ausführliche Informationen und
bewegende Bilder finden sich auf unserer Webseite unter
http://www.sunshine-project.de/China.html.

Mit freundlichen Grüßen
Jan van Aken

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Sunshine Project Presseerklärung - 3. Juli 2007
Unfälle im Biowaffen-Labor vertuscht – US Behörde stoppt weitere Experimente

Die renommierte Texas A&M Universität in den USA muss ab sofort alle Versuche mit gefährlichen Krankheitserregern einstellen. Mit diesem bislang einmaligen Schritt reagierten am Wochenende US-Bundesbehörden auf Enthüllungen des Sunshine Project, nach denen die Universität zwei schwere Unfälle in ihren Biowaffen-Labors vertuscht hatte. Im vergangenen Jahre hatten sich vier MitarbeiterInnen der Universität bei Versuchen mit Biowaffen-Erregern infiziert, eine davon erkrankte schwer. Obwohl gesetzlich dazu verpflichtet, hatte die Universität die Unfälle seinerzeit nicht der Kontrollbehörde CDC (Centers for Disease Control) gemeldet. Bislang galt die Texas A&M als ein Top-Anwärter für das neue zentrale Biowaffen-Labor der US-Regierung.
Der erste Unfall ereignete sich am 9. Februar 2006: Forscher hatten in einer Nebelkammer innerhalb eines Hochsicherheitslabor eine Brühe mit hochinfektiösen Brucella-Bakterien versprüht, eine Bakterienart, die als potentielle Biowaffe gilt und deshalb auf der US-Liste der besonders gefährlichen Erreger steht. Zur Reinigung der Kammer kletterte eine Mitarbeiterin teilweise in die Kammer. Kurz darauf meldete sie sich für mehrere Wochen krank, Monate später wurde bei ihr Brucellose diagnostiziert. Nach einem Monat intensiver Antibiotika-Behandlung erholte sie sich wieder von der Infektion. Interne Emails belegen, dass die Verantwortlichen der Texas A&M sich bewusst waren, dass ein derart schwerer Unfall sofort den CDC gemeldet werden muss. Trotzdem haben sie seinerzeit keine Meldung abgegeben.
Gut einen Monat später muss sich der nächste Unfall ereignet haben: Am 3. April wurde bei drei Mitarbeitern eine Infektion mit Q-Fieber festgestellt, ein weiteres Bakterium, dass auf der US-Liste der potentiellen Biowaffen-Erreger steht. Bis heute ist nicht öffentlich bekannt, wie genau es zu dieser Infektion gekommen ist. Die Tatsache allerdings, dass sich an einem Tag drei Forscher gleichzeitig in einem Labor auf Q-Fieber testen lassen, deutet darauf hin, dass es einen Unfall während eines Experimentes mit diesen Bakterien gegeben haben muss.
„Momentan scheint von den amerikanischen Biowaffen-Labors eine größere Gefahr auszugehen als vom Bioterrorismus,“ sagt Jan van Aken vom Sunshine Project. „ Forscher, die derart schwere Unfälle nicht als Warnsignal betrachten, sondern sie mit viel krimineller Energie vertuschen, sind eine Gefahr für ihre Umwelt. Es ist leider zu befürchten, dass die Texas A&M nur die Spitze des Eisberges ist“.


Ein Jahr lang hatte das Sunshine Project recherchiert und mit juristischen Mitteln eine Herausgabe von Unterlagen zu Versuchen mit gefährlichen Erregern an der Texas A&M erstritten. Einen ersten Teilerfolg erzielte das Sunshine Project im April diesen Jahres, als die Universität den ersten Unfall eingestehen musste, entsprechende interne Emails veröffentlichte und – mit einem Jahr Verspätung – den Unfall den CDC meldete. Vergangene Woche musste die Universität weitere Unterlagen zur Verfügung stellen, die den zweiten Unfall belegten. Damit war das Maß für die CDC offensichtlich voll, am Samstag letzter Woche (30. Juni 2007) teilten sie der Universität schriftlich mit, dass ab sofort alle Versuche mit gelisteten gefährlichen Krankheitserregern eingestellt werden müssen. Insgesamt fünf Labore mit 120 MitarbeiterInnen sind bis auf weiteres geschlossen. Der Universität drohen jetzt hohe Geldstrafen – mindestens 1.5 Millionen US-Dollar – sowie ein Entzug aller Biowaffen-Forschung.
Alle Originaldokumente von der Texas A&M, die dem Sunshine Project vorliegen, finden sich auf der Webseite unsere US-Kollegen unter http://www.sunshine-project.org.


Kontakt:
Dr. Jan van Aken, Scheplerstrasse 78, 22767 Hamburg
Tel.: 040 431 88 001, Mobile 0163 431 88 00
van.aken@sunshine-project.de[/url]
 
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