<span style="color:red"> "Eine Katastrophe" für die Forschung </span>
Mit Überwachung und Zensur von wissenschaftlichen Arbeiten will die US-Regierung Terroristen den Zugang zu sensiblen Forschungsergebnissen verwehren
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(jaja und vor allem wollen sie den wahrheitssuchenden den zugang zu den forschungsergebnissen verwehren, das sind doch alles scheinheilige *** (Admin)) </span>
Die Forschungslandschaft hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA grundlegend verändert. Überwachung und Zensur haben auch Auswirkungen auf die internationale Wissenschaft. Ein Beispiel dafür sind die Pocken.
Eigentlich hätte der 31. Dezember 2002 der Höhepunkt einer biomedizinischen Erfolgsstory werden sollen: die Vernichtung der letzten Vorräte von Pockenviren, die seit Jahrzehnten als Relikte einer vergangenen infektionsmedizinischen Epoche in zwei Tiefkühltruhen lagern - im russischen Forschungszentrum für Virologie und Biotechnologie (Vector) in Sibirien und im US-Center for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta. Schließlich gelten Pocken seit 1982 weltweit als ausgerottet.
<span style="color:yellow"> Begehrte, tödliche Erreger </span>
Doch seit 9/11 sind die potenziell tödlichen Erreger wieder begehrt. Die Aufforderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Viren mit flüssigem Stickstoff endgültig zu Leibe zu rücken, wurde zurückgezogen: Die Angst, dass heimlich aus den Kühlschränken abgezweigte Pockenerreger als biologische Waffen eingesetzt werden könnten, saß nicht nur der US-Regierung im Nacken und wurde durch die Anschläge mit Anthrax in Florida, Nevada und New York noch verstärkt. Um aber Gegenmaßnahmen - Impfstoffe und Arzneien - für einen solchen Fall zu entwickeln, braucht man die Erreger.
<span style="color:red"> Katastrophen-Simulation </span>
Die Katastrophe einer Freisetzung von Pockenviren wurde von Wissenschaftern oft durchgespielt, die verheerenden Ergebnisse wurden in Magazinen wie Science und den Proceedings of the National Academies of Science (Pnas) veröffentlicht: Werden bei einem solchen Terrorakt auch nur 100 Menschen infiziert, so sprengt die daraus resultierende Epidemie blitzartig die Kapazitäten der vorhandenen medizinischen Infrastruktur.
Heute werden derartige Studienergebnisse, die die Verletzlichkeit der USA aufzeigen, nicht mehr publiziert - erst Anfang Jahres untersagte das Agrarministerium den National Academies of Science die Veröffentlichung von Teilen ihres Berichtes über Agrarterrorismus. Aber auch andere Forschungsresultate werden nicht mehr veröffentlicht: solche, die potenziellen Bioterroristen eine Bastelanleitung in die Hände spielen könnten.
<span style="color:yellow"> Regierung droht mit behördlicher Zensur </span>
Die US-Regierung drohte den Fachmagazinen nach 9/11 mit behördlicher Zensur, sollten sie nicht selbst dafür sorgen - mit Erfolg, wie man heute weiß: Um der direkten staatlichen Kontrolle zu entgehen, entschlossen sich die Verlage, derart heikle Ergebnisse selbst auszusondern. Auslöser waren zwei Publikationen.
Forscher listeten Punkt für Punkt auf, wie sie aus Versehen ein "Supervirus" gebastelt hatten, das alle Labortiere umbrachte - aus genetisch veränderten Mäusepockenviren. Mit menschlichen Pockenviren sei dies ebenfalls möglich.
Andere Forscher beschrieben bis ins letzte Detail, wie man das Poliovirus, den Erreger der Kinderlähmung, nachbauen kann: Die Genomsequenzen könne man sich aus dem Internet herunterladen; gentechnische Apparaturen, um die Basenpaare zusammenzubasteln, seien in gut sortierten Fachhandlungen erhältlich. Dies funktioniere neben Polio auch mit Pocken und anderen potenziellen Viren für Biowaffen.
Da jedoch Forschungen an biowaffentauglichen Erregern zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen nötiger erschienen als je zuvor, legte Washington Tausenden Mikrobiologen Bandagen an - zur weiteren Kontrolle über diesen Forschungszweig.
<span style="color:red"> Rechenschaft für Pathogen-Kontakt </span>
190.000 Labors in den USA müssen seit einem Jahr Rechenschaft über Kontakte mit bestimmten Pathogenen ablegen. Zu den 36 meldepflichtigen Stoffen auf der wissenschaftlichen Watchlist gehören neben Pocken- und Anthraxerregern auch das Ebola-, Dengue-, Lassa- und Hanta-Virus.
Jeder Forscher, der mit einem dieser Stoffe hantieren will, muss dies melden. Dann wird er vom Justizministerium überprüft und offiziell zugelassen - oder abgelehnt. Wer schon einmal vor Gericht stand, erhält keine Genehmigung mehr. Ebenso wenig Wissenschafter, die schon einmal psychische Probleme hatten, sowie alle Forscher aus dem Irak, Iran, Sudan, aus Kuba, Libyen, Syrien und Nordkorea.
"Zensur dient aber nur der Beruhigung der Öffentlichkeit", analysiert Jens Kuhn von der Freien Universität Berlin im Gespräch mit dem STANDARD. Der Biochemiker und Mediziner war der erste von bisher nur drei westlichen Forschern, die bei Vector, der zu Sowjetzeiten größten russischen Biowaffenschmiede, arbeiten durfte. Zuvor hatte er in militärischen Forschungslabors der USA gewerkt. Sein Spezialgebiet: der Krim-Kongo-Erreger, der ebenfalls zur "Gruppe 4", zu biowaffentauglichen Pathogenen zählt.
<span style="color:yellow"> Biowaffe nur mit Wissenschafter zu haben </span>
"Es ist wegen der Komplexität nicht vorstellbar, dass Terroristen anhand von Publikationen eine Biowaffe basteln", erklärt Kuhn, "wer das vorhat, wird sich schon die entsprechenden Wissenschafter dazu holen müssen. Und die brauchen keine Fachartikel mehr."
Die internationalen Auswirkungen der Zensur würden sich aber erst in den nächsten Jahren zeigen: Werden neue Ergebnisse über die heiklen Erreger nicht mehr veröffentlicht, behindere das jedenfalls die Arbeit an Impfstoffen und Medikamenten. "Eine Studie baut auf die andere auf." Ohne Publikationen würden wohl Dutzende Forschungen parallel laufen, was die Entwicklung von Arzneien extrem verzögere. Außerdem könnten Studienergebnisse nicht mehr gegenseitig überprüft und rekonstruiert werden, was Auswirkungen auf Sicherheit und Verlässlichkeit habe, erläutert Kuhn: "Eine Katastrophe."
<span style="color:red"> Wissens- und Wissenschafteraustausch ins Stocken geraten </span>
Seit den Anschlägen sei der "Zugang zu Konferenzen und Labors für Ausländer nur noch schwer möglich". Damit hätten die USA ihren weltweiten Ruf als Forscherparadies verspielt, der internationale Wissens- und Wissenschafteraustausch, der den Fortschritt der Forschung garantiere, sei ins Stocken geraten.
Und durch die extreme Zugangsbeschränkung für Forschungen an biowaffentauglichen Keimen reduzierten die USA auch den entsprechenden Output: "Es gibt ohnedies nur ganz wenige Wissenschafter, die sich mit Gruppe-4-Pathogenen befassen", reklamiert Kuhn: "Wenn ich von diesen einen Teil ausschließe, dann frage ich mich, wer die Gegenmaßnahmen für eventuelle Bioattacken erforschen und entwickeln soll." (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 11.9.2003)
quelle: standard.at