Naja, ganz von der Hand zu weisen ist es sicherlich nicht, aber ich würde es auch nicht an Bismarck als Person festmachen. Wer kann noch sagen was damals Aktion und was Reaktion war? Klar, er war Protestant und das bedeutete damals um Einiges mehr als es heute bei uns noch der Fall ist. Deshalb wird er nicht nur reagiert sondern auch agiert haben, aber ich glaube kaum daß der Vatikan sich groß um Bismarck geschert hatte. Der Kirche geht es ohne Frage um staatliche Einflußnahme. Davon kann sich im Grunde keine Kirche freisprechen, denn Öffentlichkeitsarbeit, egal welche, bringt das nunmal mit sich...
In Zuge der Aufklärung hatte die katholische Kirche nicht schlecht Macht eingebüßt, aber schon vorher wechselten immer mehr Fürsten ins reformierte Lager und ganz gewiß nicht wenige nicht aus Glaubensgründen sondern aus rein egoistischen. Diese Entwicklung war der katholischen Kirche natürlich ein Dorn im Auge, und man muß sich nunmal die Frage stellen warum das Dogma 1870 kam und nicht lange Zeit schon vorher?
Ich denke Deutschland spielt da schon eine Rolle, wenn auch Bismarck eher als Randfigur. Jahrzehntelang stellte sich die Frage nach der erneuten Reichsgründung. Gewollt war sie von Allen, aber Jeder hatte andere Vorstellungen von. Es gab keinen Kaiser mehr in Deutschland, jedes auch noch so kleine Fürstentum lebte so vor sich, man träumte von alten Privilegien, und nicht selten gab es Vorstöße in diese Richtung, indem bei Amtsübernahme des Nachfolgers gleich die Verfassung außer Kraft gesetzt wurde. Immer wieder versuchten die Fürsten irgendwelche Tricks in völliger Verkennung der Tatsache daß man das Rad der Geschichte nicht so einfach zurückdrehen kann und das Bürgertum immer bedeutender wurde. Parallel dazu gab es dann noch die Interessen der Hanse- und ehemaligen freien Reichsstädte, sowie die der ausländischen Fürsten, welche wieder Vasallen einen deutschen Kaisers werden würden. Wirklich Jeder hatte vom Reiche seine eigenen Vorstellungen, und man kann die ganze damalige Situation wirklich nur als komplett chaotisch bezeichnen. Daß es irgendwann mal knallt, daß das Schwert das entscheidet, war nur eine Frage der Zeit, und es wäre auch ohne den Kriegstreiber Bismarck passiert!
In diesem Sammelsurium der unterschiedlichsten Interessen aber darf man nun wirklich nicht die katholische Kirche vergessen. Während Jeder in Deutschland so vor sich hinträumte wie das Reich auszusehen hat, so träumte auch der Vatikan seinen eigenen Traum. Die Wiederauferstehung des "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation" war sein Traum, und er war nach gut fünfzig Jahren wirklich in greifbarer Nähe. Auf die Großdeutsche Lösung unter den Habsburgern wurde gesetzt und auch gezielt Agitation dafür betrieben. So kam es dann daß 66 nicht nur katholische Staaten auf der Seite Österreichs standen, sondern auch protestantische, denen man im Falle des Sieges wieder ein paar verlorengegange Rechte versprach. Es kam aber anders. Die Allianz um Preußen siegte und der Vatikan hatte einen herben Rückschlag erlitten. Dieser Rückschlag war zuerst zwar nur ein mentaler, aber es wurde die nächsten Jahre mehr draus. Wie schon angesprochen, Aktion und Reaktion kann man manchmal nur noch schlecht zuweisen, aber der Vatikan verfiel immer wieder recht schnell in alte Muster. Das Jahr 70 war ein Jahr der Umbrüche und zeichnet sich keinesfalls nur durch den Krieg gegen Frankreich aus, auf dessen Sieg auch der Vatikan mal wieder setzte. 4 Jahre nach dem Deutschen Krieg, wo der Vatikan als Ergebnis gerne ein Deutsches Reich unter Führungs Österreichs gesehen hätte, sprach er sich nun im Jahre 70 gegen den Nationalismus aus. Im Jahre 70 wiegelte er gezielt katholische preußische Randgebiete auf. Im Jahre 70 exkommunizierte, jawohl, exkommunizierte er im Lande der Aufkärung, zahlreiche Katholiken, verbat ihnen religiöse Lehramtstätigkeit und mischte sich so in staatliche Belange ein. Im Jahre 70 trieb er gezielt mit eigenen finanziellen Mitteln die Gründung einer neuen Partei, der Zentrumspartei, voran und mischte sich weiter in den Staat ein. Und als "Bonus" oben drauf wurde der Papst im Jahre 70 endgültig als unfehlbar erklärt. Also wenn man das nicht als Offensive bezeichnen kann dann weiß ich auch nicht...
Aber es kam mal wieder ganz anders. Der Krieg gegen Frankreich wurde gewonnen, der Nationalismus vereinte Deutschland, die Katholiken waren mitgezogen, und der preußische König nahm - nach anfänglichem Widerwillen ob des Bezuges nach Rom - die deutsche Kaiserwürde an und hinterließ damit dem Vatikan einige schwere Nadelsstiche im Herzen. Ab da war es ihnen klar, Deutschland ist für sie verloren!
Als abschließendes Wort vielleicht noch, das habe ich gerade mal so herunter gerissen und war vielleicht auch etwas abschweifend gewesen. Es mußte aber sein um aufzuzeigen daß die Sache mit der Unfehlbarkeit nur ein kleiner Punkt von vielen in dieser ganzen Thematik ist, selbst wenn es ein bedeutender ist. Und natürlich steht Deutschland in dieser Zeit der allgemeinen Entwicklung nicht alleine auf dem Parkett, nimmt aber einen ganz ganz großen Bereich ein. Jede Kirche sucht sich ihre Schäflein, es liegt in der Natur der Sache daß sie "erobernd" vorgehen. Zu einer Zeit wo es Deutschland einfach nicht gab, Alles in Kleinstteilen zersplittert und uneinig brach in der Landschaft lag, jeder Fürst gewisser Maßen auch Angst um den inneren Frieden hatte und somit keine wirkliche Reformationen oder Gegenreformation einleitete, ist es einfach ein Unding anzunehmen daß der Vatikan nicht die Chance nutzte daraus Kapital zu schlagen. Natürlich kann man es nicht gleichsetzen, aber ich möchte trotzdem behaupten daß in diesen Jahren die katholische Kirche sich in den deutschen Landen politisch so angagierte wie seit dem Dreißigjährigen Kriege nicht mehr. Die endgültige Unfehlbarkeitserklärung des Papstes war da nur das "Tüpfelchen auf dem I". Von alleine kommt Nichts. Hätten sie schon lange zuvor machen können, aber da lag es nunmal an. Es betraf gleichermaßen viele an andere Länder gleich noch mit, aber Deutschland hat da wirklich keinen geringen Anteil dran. Bismarck aber hingegen eher weniger, so sehe ich das. Bismarck war ein Kriegstreiber und ein Papsthasser, ohne Frage, na und? 66 war unausweichlich gewesen. Hätte ohne ihn früher passieren können, hätte ohne ihn später geschehen können, aber geknallt hätte es. 70/71 sehe ich genauso. Man konnte Deutschland nicht am Verhandlungstische einen, das war noch eine andere Zeit gewesen. Einen gemeinsamen Waffengang hatte es gebraucht und da bot sich eben nur Frankreich an. Beide Kriege hätte es eh gegeben, wäre nur die Frage des Datums gewesen. Die Kleindeutsche Lösung brauchte das Schwert, und daß die Welfen nach ihrer Niederlage sich im Erzfeind Frankreich auf eine Revanche vorbereiteten wäre anschließend genauso passiert. 70/71 war genauso ein Präventivschlag wie ein unprovozierter Angriff gewesen. Beide Kriege wären eh geschehen, und das war auch für den Vatikam absehbar gewesen. Daß sie das noch mitversuchten in ihre Richtung zu lenken, wen kann es schon groß verwundern. Die ultimative Unfehlbarkeitserklärung ist da nur ein verhältnismäßig kleiner Punkt im großen Ganzen. Natürlich betraf er uns im Besonderen, aber wen denn nicht? - Im Weltlichen waren es nicht nur Deutschland und Österreich, Frankreich und Holland und die Niederlande, sowie Polen. Es war ebenso eine erneute Erklärung an alle reformierten Kräfte wie ganz besonders auch an "Ostrom". Ja, ich denke schon, Deutschland hat einen ganz großen Anteil daran daß es zu dieser Erklärung kam, aber mehr noch die Zeit im Allgemeinen und die damit verbundenen Umstände. Am Wenigsten aber Bismarck als Person, denn er ist nur Einer. An seiner statt wäre auch wer anders genauso vorgegangen, und, wie gesagt, eine ganze Menge war eben schon längst vorbestimmt...
So, und jetzt endlich gute Nacht!