das habe ich als kommentar auf einer nahrichten seite gesehn und finde diese denkweise ganz intressant
Ich kann einer polemischen Denkweise, die bevorzugt suggestive und rhetorische Fragen nutzt um eine größere Weitsicht zu demonstrieren nichts abgewinnen. Eine Diskussion über die tatsächlichen Motive und Gesinnungen der beteiligten ist anhand von greifbaren Fakten absolut sinnvoll, muss aber vorurteilsfrei erfolgen. Genauso ist die Verknüpfung der aktuellen Lage in Libyen mit anderen Krisenregionen möglich, sollte aber sachlich erfolgen und durch entsprechende Fachkompetenz abgedeckt sein. Ansonsten verläuft sich soetwas schnell in unsinnigen Vorwürfen und unzweckmäßigen Gleichsetzungen. Mein Kommentar zu den einzelnen Punkten:
1. Wissen Sie, wen man da unterstützen will? Ich nicht! Sind diese Rebellen, die seltsamer Weise von Beginn an zu den Waffen gegriffen haben (im Unterschied zu Tunesien/Ägypten) tatsächlich so demokratisch? Zur Erinnerung, die Taliban sind auch schon mal als Freiheitskämfer vom Westen aufgerüstert worden!
Es ist tatsächlich so, dass die Nachrichtenlage über die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen schwierig ist. Insofern kann man wirklich die Frage stellen, wen man unterstützt, wenn man für eine Seite partei ergreift. Allerdings erfolgte keine direkte Parteinahme der UN für eine der beiden an den Kämpfen beteiligten Seiten, sondern eine Schutzmaßnahme für die zivile Bevölkerung. Auch die aktuellen Einsätze der eingreifenden Staaten sollen im Rahmen dieser Vorgaben erfolgen. Ob dies so erfolgt kann man sicherlich diskutieren.
Die Fragestellung selbst zeigt aber zwei Fehler. Zum einen ist die Aussage falsch, dass die Aufständischen/Rebellen/Regimegegner (wie immer man sie nennen möchte) von Anfang an zu den Waffen gegriffen haben. Es gab friedlich organisierte und durchgeführte Demonstrationen (gewaltbereite Demonstranten gibt es immer, sie stellten aber nur eine kleine Minderheit dar), die von staatlicher Seite mit einer hohen Gewaltbereitschaft beendet wurden. Im Vergleich zu Tunesien und Ägypten sollte man beide Seiten und deren Aktionen betrachten.
Zum anderen stellt sich die Frage, warum trotz eingeräumter Unkenntnis über die Zusammensetzung und Gesinnung der "Rebellen" gleich ein Vergleich zu den Taliban gezogen wird, wenn nicht in der Absicht, so Unterstellungen vorzubringen und Ängste zu schüren. Auf sachlicher Ebene entbehrt die angedeutete Gleichsetzung (rhetorisch natürlich in Frage gestellt) schon allein aus der Situation heraus jeglicher Grundlage.
2. Warum kein Einsatz in der Elfenbeinküste? Dort bringt ein demokratisch abgewählter Präsident sein Volk um, Reaktion der 'freien Welt', keine!
Die Elfenbeinküste stellt ein vollkommen anderes Szenario dar. Anders als behauptet bringt dort nicht ein abgewählter Präsident sein Volk um (im Sinne eines ungleichen Kampfes), sondern es entflammte ein schon lange währender Bürgerkrieg ein weiteres Mal auf, der organisatorisch und technisch auf einem vergleichbaren Niveau zwischen zwei Parteien erfolgt. Zivile Opfer entstehen aus den Handlungen beider Seiten. Falsch ist auch, dass es dort weder eine Reaktion der "freien Welt" gibt, noch dass es keinen Einsatz gäbe. Bereits seit Jahren sind mehrere tausend Soldaten unter UN-Mandat vor Ort, und in Anbetracht der aktuellen Lage wurde das Kontingent ein weiteres Mal aufgestockt. Lufteinsätze, wie zur Zeit in Libyen, sind aufgrund der schwierigen Aufklärungslage und der meist in urbanem Gelände stattfindenden Kämpfe nur unter Schwierigkeiten möglich und versprechen keine greifbaren Erfolge. Politisch findet bereits seit den Wahlen selbst eine eindeutige Stellungnahme auch der westlichen Welt statt. Die vergleichsweise schlechte mediale Abdeckung trifft vor allem für den deutschsprachigen Raum zu. In Frankreich ist die Informationslage deutlich besser. Richtig ist auf jeden Fall, dass diese Konflikt auch von Deutschland aus nicht aus den Augen verloren werden darf.
3. Wie soll es weitergehen? Einsätze anschließend in Jemen, Bahrein und später dann in Saudi-Arabien und/oder Marokko?
Wie es in Zukunft weitergeht, wird die Zukunft zeigen und hängt aus moralischer Sicht von den Entwicklungen in den jeweiligen Ländern ab, aus politischer Sicht natürlich (leider) auch mit den entsprechenden Interessen. In Ägypten und Tunesien liefen die Ereignisse anders ab als in Libyen - einen Automatismus gibt es nicht (und das ist auch gut so).
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Auch interessant was die Basler Zeitung schreibt:
Kampfszenen aus Libyen gestellt?:
http://bazonline.ch/ausland/naher-o...sten-Kampfbilder-sind-gestellt/story/27307628
Naja, den Bericht von Scheben im Journal21 habe ich die Tage schon gelesen. Er hat, was Einzelereignisse angeht, sicherlich recht. Daraus lassen sich aber keine grundsätzlichen Verhaltensmuster ableiten. Die jährlich bei Konflikten umkommenden Journalisten sind ein trauriges Beispiel dafür, dass sich die Situation oftmals anders darstellt. Die Süddeutsche hat dazu einen differenzierteren Artikel gebracht, der aus meiner Erfahrung heraus deutlich treffender ist:
Berichterstattung aus Libyen - Inszenierte Gefechte? - Medien - sueddeutsche.de
Italiens Innenminister warnt vor einem 3. Weltkrieg
Das ist knapp zwei Wochen alt und bezieht sich auf eine us-amerikanische Invasion ohne UN-Mandat. Die Situation hat sich seitdem deutlich geändert, ich halte die Gefahr den momentanen Entwicklungen nach für äußerst gering.