Endlich habe ich es geschafft, den zweiten Teil zu übersetzen. Ich hoffe, ihr habt genau so viel Spaß beim Lesen wie ich! Kommentare wären nett, Verbesserungsvorschläge werden gerne entgegengenommen, falls jemand Fehler findet!
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Das EndLose Haus II - Maggie
Ich habe nun seit drei Wochen nichts von David gehört. Wir sind nun seit sechs Monaten zusammen und in dieser Zeit kam es nur einmal vor, dass er sich drei Tage lang nicht bei mir gemeldet hatte und dieses eine Mal war nach einem heftigen Streit. Als wir das letzte Mal miteinander geredet hatten erzählte er mir nichts Ungewöhnliches, er meinte nur, dass er etwas prüfen wollte, was ein Freund ihm erzählt hatte. Doch dann bekam ich letzte Nacht eine ziemlich beunruhigende SMS. Sie war zwar von David, wurde aber nicht von seiner Nummer geschickt. Sie bestand aus nur fünf Worten:
„End Los komm nicht David“
Etwas stimmte nicht. Nachdem ich es gelesen hatte wurde mir übel, als hätte ich etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Ich nahm mir vor, diesen ***** namens Peter zu kontaktieren (ich hatte schon früher mit ihm zu tun). Er war zwar ein Faulpelz, aber der Einzige, der vielleicht ein paar Informationen über Davids Verbleib hatte. Ich fällte die Entscheidung, mich mit Davids AIM-Account einzuloggen, denn es würde einfacher sein, mit Peter ins Gespräch zu kommen wenn er nicht wüsste, dass ich es war. Ich loggte mich also ein und er schrieb mich sofort an:
„David? Heilige *******, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, Du wärst zu diesem Haus gegangen.“
„Was meinst Du damit?“
“Das EndLose Haus, Alter, dieser Ort, von dem ich Dir erzählt habe ich hätte schwören können du wärst da hingegangen.“ EndLos. Dieser Kerl wusste, was los war.
„Yeah, ich konnte es irgendwie nicht finden. Vielleicht versuche ich es morgen wieder. Wo war das nochmals?“
„Keine Chance, ich hab mir deinetwegen schon genug Sorgen gemacht ****** auf das Haus ich war dort du willst da nicht hingehen.“
„Peter. Hier ist Maggie. “
“Warte, was?? Wo ist David?? “
“Ich weiß es nicht. Eigentlich dachte ich, Du könntest es mir sagen, aber anscheinend lag ich damit falsch. “
„Oh *******. Oh ***********************************.”
“Was? Ehrlich, Peter, du musst mir sagen, was hier los ist.”
„Ich glaube, er ist zu diesem Haus gegangen. Es befindet sich außerhalb der Stadt, ungefähr vier Meilen die Terrence St. runter. Rechts in die nicht ausgeschilderte Straße. ******* Mann, er ist weg.“
“Nein, ich denke nicht, dass er weg ist.”
„Was hast du jetzt vor?“
„Ich hole ihn zurück.“
Am nächsten Abend machte ich mich so gegen acht Uhr auf den Weg. Während der ganzen Fahrt sah ich kein einziges Auto auf der Straße, und als ich in die nicht ausgeschilderte Straße hineinbog, sah ich ein Schild mit folgendem Text:
EndLoses Haus hier entlang
24 Stunden offen
Seit ich losgefahren war hatte mein Herz wie verrückt geschlagen, der Anblick des Hauses verschaffte mir auch keine Erleichterung. Da sich keine weiteren Fahrzeuge vor dem Haus befanden nahm ich an, es wäre geschlossen. Eine Laterne über der Veranda erleuchtete die nähere Umgebung und durch die Fenster konnte ich erkennen, dass das Licht im Haus eingeschaltet war. Ich parkte mein Auto und machte mich auf den Weg zum Eingang.
Die Lobby wirkte ziemlich normal, aber sie war leer, wie ich es erwartet hatte. Alle Lichter waren an, aber es war niemand da. Abgesehen von der Eingangstür befand sich in der Lobby nur noch eine weitere Tür. Neben ihr befand sich ein Schild:
„Hier lang zum Zimmer 1. Acht weitere Zimmer folgen.
Erreiche das Ende und Du hast gewonnen!”
Nicht das war es, das mir den Magen umdrehte. Nicht das ließ mein Herz aussetzen. Darunter stand noch mehr, in gekritzelter, roter Handschrift:
DU KANNST IHN NICHT RETTEN
Ich muss eine Stunde in der Lobby verbracht haben. Ich fror. Ich wusste nicht, was ich als Nächstes tun soll. Soll ich durch die Tür gehen? Soll ich die Polizei rufen? Nachdem ich das Schild gelesen hatte wurde mir klar, dass ich mir möglichweise zu viel vorgenommen hatte. Ich bin ein Mädchen von normaler Größe, aber ziemlich dünn. Ich hatte nicht vor, mit Davids psychopathischen Geiselnehmern zu kämpfen. Ich kam zu dem Entschluss, dass es das Beste wäre die Polizei anzurufen, also griff ich in meine Hosenasche, holte mein Handy raus und klappte es auf. Kein Netz. Das Haus muss das Netz blockiert haben und es stand wortwörtlich mitten im nirgendwo. Ich ging zurück zur Eingangstür da ich damit gerechnet hatte, vor dem Haus Netz zu haben. Ich griff nach der Türklinke und drückte sie nach unten, und nichts geschah. Es war zugesperrt. Ich zerrte an der Tür. Nichts. Die Tür war von außen zugesperrt. Ich schlug mit meinen Händen auf die Tür ein und schrie in der Hoffnung, jemand könnte mich hören. Ich wusste, dass es nutzlos war, außer mir war ja niemand da. Dann vibrierte es in meiner Hosentasche. Ich holte mein Handy raus und schaute aufs Display. Eine neue SMS. Zuerst war ich einfach nur froh, dass ich Netz hatte, ich war gerettet. Vielleicht war die SMS von David und er wollte mir mitteilen, dass es ihm gut ginge. Die Nummer des Absenders hatte ich nicht auf meinem Handy gespeichert. Ich öffnete die Nachricht und ließ beinahe mein Handy fallen.
„Du kannst dich auch nicht retten“.
Ich zitterte am ganzen Körper, stand kurz davor, ohnmächtig zu werden. Ich war hier eingesperrt. Ein Handy ohne Netz in einem Raum ohne Ausgang. Meine Augen suchten den Raum ab und landeten bei der Tür auf der anderen Seite. An der Tür war eine goldene 1 befestigt, sie sah aus, wie eine normale Hotelzimmertür. Der Boden fühlte sich unwirklich an, als ich auf die Tür zuging. Ich stand davor, drückte mein Ohr gegen sie und lauschte. Alles, was ich hören konnte, war weit entfernte Halloween-Musik. Ganz banale, schräge Instrumentalmusik, wie sie in jedem Geisterhaus auf dem Jahrmarkt gespielt wird. Irgendwie beruhigte mich das. David war für seine Streiche bekannt. Er hatte mir schon mehrere Male von den ausgeklügelten Streichen erzählt, die er und seine Freunde für die neuen Mitglieder in ihrem Fußballteam ausgearbeitet hatten. Irgendwie fand sogar ein Lächeln den Weg zu meinem Gesicht. Von der Angst befreit, öffnete ich die Tür.
Das Betreten des ersten Zimmers entspannte mich noch mehr. Der Raum war ein normaler Versuch, ein Geisterhaus nachzubauen, wenn auch ein eher schlechter. In jeder Ecke des Raumes wurde eine Vogelscheuche aufgestellt, und die war nicht einmal gruselig. Mit dem breiten Lächeln sahen sie eher so aus wie die Modelle, die man vor den Volksschulen sehen konnte. Geister aus Paper hingen von der Decke, während ein Ventilator, der in der Ecke aufgestellt war, sie in Bewegung versetzte. Neben einer der Vogelscheuchen befand sich die zweite und letzte Tür in diesem Raum. Ähnlich wie bei der ersten Tür stand auf dieser die Nummer 2. Ich lachte auf und ließ dieses lahme Zimmer hinter mir.
Als ich die Tür öffnete, konnte ich erst einmal keine 30 Zentimeter weit sehen. Das Zimmer war voll mit grauem Nebel, der nach Gummi roch. Ich vermutete, jemand hätte hier eine Nebelmaschine abgestellt, die schon seit Stunden dieses Zeug in die Luft blies. Das Zimmer hatte keine Fenster und die Luft war einfach grauenhaft. Ich bewegte mich langsam vorwärts und kreischte, als ich einen großen Jason Vorhees-Roboter in die Arme lief. Seine Augen leuchteten Rot und das Messer in seiner Hand bewegte sich rauf und runter, als wollte er auf mich einstechen. Mein Herz raste, es wäre mir ja so unglaublich peinlich gewesen, wenn mich jemand so gesehen hätte. Ich hielt mir den Mund zu und ging am Robo-Jason vorbei, der Nebel wurde mir etwas zu viel. Langsam bekam ich Kopfschmerzen, als die Tür zum Zimmer Nummer 3 vor mir auftauchte. Ich legte die Hand auf die Türklinke und riss sie schmerzerfüllt sofort wieder zurück. Die Türklinke war glühend heiß. Vorsichtig legte ich meine Hand an die Tür und bemerkte, dass diese auch warm war. Von der anderen Seite konnte ich kein einziges Geräusch wahrnehmen, ich legte erneut mein Ohr an die Tür in der Erwartung, das Knistern des Feuers zu hören, aber da war nichts. Ich schlussfolgerte, dass die Wärme in den Raum einfach hineingepumpt wurde, so wie bei Mr. Toads Wilder Fahrt in Disneyland. Ich wickelte das untere Ende meines Shirts um die Hand, drückte die Türklinke so schnell wie ich konnte nach unten und schlüpfte in das nächste Zimmer. Da war kein Feuer. Nur Dunkelheit, und es war fürchterlich kalt. Zimmer Nummer 3 hatte keine Gemeinsamkeiten mit den ersten zwei. Es war definitiv anders.
Plötzlich wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich versuchte, Umrisse im Zimmer zu erkennen, aber ich konnte nicht einmal meine Hände nach der Türklinke greifen sehen, welche nicht mehr da war. Ich war in einer Falle. Ich muss mich in der Dunkelheit umgedreht haben. Obwohl ich mich, seit ich dieses Zimmer betreten hatte, nicht bewegte, muss ich mich wohl in der Dunkelheit umgedreht haben. Plötzlich blitzte ein Licht auf der Decke auf. Ein einzelner kleiner Scheinwerfer erleuchtete schwach den darunter stehenden Tisch, auf dem sich eine Taschenlampe befand. Obwohl ich überhaupt nichts sehen konnte, bewegte ich mich vorwärts, das kleine Licht reichte aus um zum Tisch zu gelangen. Als ich nach der Taschenlampe griff bemerkte ich den kleinen Zettel, der an ihr befestigt war:
Für Maggie – Vom Management
Sobald ich den Zettel gelesen hatte, ging das Licht an der Decke aus und ich befand mich wieder in totaler Finsternis. Ich fummelte eine Sekunde lang an der Taschenlampe herum bevor es mir gelang, sie einzuschalten. Ein tiefes, donnerndes Brummen, dass aus jeder Richtung zu kommen schien, umzingelte mich. Mein Herz klopfte wie verrückt und ich begann, mich auf der Stelle zu drehen und den Raum mit der Taschenlampe auszuleuchten. Im Raum befand sich nichts, doch nach einer Weile fiel mir etwas Furchtbares auf. Man könnte es auch meiner Vorstellungskraft zuschreiben, doch jedes Mal, wenn ich die Taschenlampe auf eine beliebige Stelle im Raum richtete konnte ich sehen, wie etwas in letzter Sekunde davonflitzte. Ich drehte langsam durch. Ich fing an, mich rückwärts von dem Tisch zu entfernen, ohne eine Ahnung zu haben, in welche Richtung ich überhaupt ging. Das Brummen wurde lauter. Plötzlich konnte ich die Präsenz des Wesens, das dem Licht ausweichte, spüren. Meine Hände zitterten wie wild als ich verzweifelt die Taschenlampe in alle möglichen Richtungen drehte. Es war jedes Mal da, flüchtete gerade noch in die Dunkelheit, bevor ich es richtig sehen konnte. Aber es kam näher. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich zitterte so sehr dass ich befürchtete, die Taschenlampe fallen zu lassen, als ich es endlich sah. Der Lichtstrahl fiel genau auf die Zahl 4. Sie stand auf einem kleinen Zettel, der an der Tür in der Ecke des Zimmers befestigt war. Ich rannte. Rannte so schnell ich konnte, mit der Taschenlampe in der Hand, die immer noch auf die Zahl gerichtet war. Ich konnte es hinter mir fühlen. Das Brummen wurde lauter und lauter und es kam mir vor, ich würde den Atem von diesem Ding in meinem Genick spüren. Ich sprintete. Nur noch ein paar Schritte. In einer einzigen Bewegung griff ich nach der Türklinke, drückte sie hastig nach unten, riss die Tür auf und schlug sie hinter mir zu. Ich befand mich jetzt im Zimmer Nummer 4.
Ich war draußen. Ich war nicht mehr im Haus. Das, was mich hinter der Tür zum Zimmer Nummer 4 erwartete, sah aus wie eine Höhle. Ich sah runter auf den Boden und bemerkte etwas Eigenartiges und Beunruhigendes. Der Grund war nicht aus Gras, Stein oder Erde, sondern aus Parkett. Es war der gleiche Parkettboden wie in den vorigen Zimmern. Dies hier war Zimmer Nummer 4. Irgendwie befand ich mich noch immer im Haus. An den Felswänden um mich herum waren einige Fackeln angebracht, doch das Innere der Höhle war pechschwarz. Die Fackeln sahen aus, als wären sie abnehmbar, also spazierte ich zu der nächsten und zog sie aus ihrer Halterung. Schweißgebadet machte ich mich auf den Weg in die Höhle. Das Brummen war verschwunden, hoffentlich für immer. Keine weiteren Geräusche, dafür eine sanfte Brise. Die Höhle schien kein Ende zu haben und ich glaubte, schon seit mehreren Stunden unterwegs gewesen zu sein, bis ich das blasse, blaue Licht sah. Neugierig, doch vorsichtigen Schrittes ging ich darauf zu. Das Licht war eine Öffnung, das Ende des Tunnels. Ich beschleunigte ein wenig, beengte Räume wie Höhlen und Tunnel waren mir schon immer ein Graus. Kurz darauf war der Ausgang nur noch wenige Meter entfernt und bevor ich es merkte stand ich am Ende. Und genau da befand ich mich. Am Ende. Am Ausgang der Höhle klaffte ein Abgrund und es gab keine Möglichkeit, diesen zu umgehen. Ich drehte mich zu der dunklen Höhle um. Ich wusste, dass es keine anderen Wege gab, die Höhle war ein gerader Tunnel. Ich drehte mich wieder um, ging auf alle Viere und blickte in den Abgrund. Was ich da sah verkrampfte mir den Magen. Ich sah das Meer, überall nur Wasser und nichts anderes in Sicht. Bis zum Wasserspiegel waren es mindestens 30 Meter. Aus dem Meer ragten einige Felsen heraus. Nachdem ich diese einige Sekunden lang betrachtet hatte, verkrampfte sich mein Magen stärker als ich es für möglich gehalten hätte und ich brach erneut in Schweiß aus. Die Felsen formten eine Nummer. Sie formten eine 5.
Ich stand auf und bewegte mich rückwärts vom Vorsprung weg. Ich hasste Höhen. Ich wurde von einer Wand gestoppt, die nicht da sein durfte. Als ich mich umdrehte, traf mich eine furchtbare Erkenntnis. Die Höhle war weg. Ich stand vor einer soliden, steinernen Mauer, auf einem Berg, der mir völlig unbekannt war. Ich musste immer wieder zu mir sagen, dass ich noch immer im EndLosen Haus war. Ich hatte es nie verlassen. Das hier ist eindeutig kein richtiger Berg. Doch es fühlte sich ziemlich echt an. Ich drehte mich wieder um und blickte in den Abgrund. Kein Ausweg. Das Haus war schon vorher ziemlich abgedreht, aber jetzt war ich draußen, verdammt noch mal. Jedoch war das, was es jetzt von mir erwartete, einfach zu viel. Ich wusste, was die Felsen im Wasser bedeuteten. Sie waren der Eingang ins Zimmer Nummer 5. Keine Treppe führte nach unten, kein Weg, den man benutzen könnte. Ich war wieder gefangen. Das Haus wollte mich springen sehen. Das Haus wollte, dass ich springe. Ich sank auf den Boden und rollte mich zu einem Knäuel zusammen. Ich konnte es nicht tun. Unter gar keinen Umständen würde ich von einem 30 Meter hohen Vorsprung auf aus dem Wasser ragende Felsen springen. Mein Verstand teilte sich in zwei Hälften. Ich wusste, dass ich mich noch immer im Haus befand, aber meine Umgebung schrie etwas ganz anderes in mein Ohr. Ich blieb so noch eine ganze Weile auf dem Parkettboden liegen, zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon jegliches Zeitgefühl verloren. Es fühlte sich wie Wochen an. Dann stand ich endlich auf. Langsam ging ich auf den Abgrund zu und schaute hinunter. Die riesige 5 verspottete mich. Sie wusste, dass ich nicht springen konnte und verhöhnte mich. Dann kehrte das Brummen zurück, das tiefe, entfernte Brummen. Es schien, von hinten zu kommen und den ganzen Berg in Schwingungen zu versetzen. Ich weiß nicht, was über mich gekommen war, aber dieses Geräusch entzündete etwas in mir. Ich drückte meine Augen zu und ich sprang.
Der Wind raste an mir vorbei als ich fiel und eine düstere Angst breitete sich in mir aus. Ich werde sterben. Ich werde an diesen Felsen zerschmettern und sterben. Sie werden mich zerreißen und ich werde sterben. Ich traute mich nicht, meine Augen zu öffnen, ich fiel einfach. Trotz des reißenden Windes war das Brummen jetzt ohrenbetäubend laut. Ich wollte, dass es aufhört. Ich wollte nur dass es aufhört ich wollte nur auf die Felsen schmettern und ich wollte dass es aufhört-
Und dann war es vorbei. Ich fiel nicht mehr, bin aber nicht bei den Felsen angekommen. Ich öffnete meine Augen und sah mich um. Ich stand auf dem dunklen Holzparkett des EndLosen Hauses. Das Brummen hörte auf und Stille kehrte ein. Ich hatte es geschafft. Ich war im Zimmer Nummer 5. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber ich war im Zimmer Nummer 5. Die Angst verflüchtigte sich langsam und ich freute mich unermesslich darüber, noch immer am Leben zu sein. Nachdem ich mich wieder gesammelt hatte, sah ich mich um. Die Freude verließ mich schlagartig als ich bemerkte, dass das Zimmer komplett leer war. Die Wände sahen aus wie der Boden, die Decke sah aus wie die Wände und die Wände hatten weder Fenster noch Türen. Ich war in einer verschlossenen Schachtel. Da wurde mir klar, dass ich es nicht geschafft hatte. Ich war nicht in Sicherheit. Ich schaffte es zwar aus dem vierten in das fünfte Zimmer, aber jetzt gab es keinen Ausgang.
Ich fragte mich, ob David in diesem Zimmer gewesen ist. Ob er von der Klippe in den Abgrund gesprungen war und in diesem Zimmer landete. Falls es das getan hat bedeutete es, dass er rausgekommen ist. Er war nicht hier, ich war allein. Er schaffte es raus, also würde ich es auch tun. Der Gedanke an Davids Flucht aus diesem Zimmer gab mir neue Zuversicht und die Hoffnung hellte meine Stimmung auf. Ich würde aus diesem Zimmer entkommen, David finden und uns verdammt noch mal hier rausholen. Ich untersuchte das Zimmer, in dem ich die Wände entlangging und nach Unregelmäßigkeiten abtastete. Nichts. Die Wände waren makellos, kaum ein Kratzer, der auf einen geheimen Ausgang hätte hindeuten können, war aufzufinden. Ich fing an, zufällig ausgewählte Stellen abzuklopfen. Sie waren alle massiv. Die Zuversicht verließ mich. Genau da sprach sie mich an.
„Maggie. Du hättest nicht kommen sollen, Maggie.“
Wäre es nicht physikalisch unmöglich gewesen, aus meiner Haut herauszuspringen, hätte ich es wohl getan. Ich starrte noch immer auf die Wand und die Stimme kam aus der Mitte des Zimmers. Es war die Stimme eines kleinen Mädchens, wenigstens klang sie so. Ich drehte mich langsam um und meine Augen trafen auf das, was mich angesprochen hatte. Ich hatte Recht, ein kleines, blondes Mädchen, kaum älter als sieben, mit blauen Augen und in einem langen, weißen Kleid. Sie lächelte mich an und sprach weiter.
„Aber da du schon hier bist, lass uns ein Spiel spielen.“
Dieses Mädchen hatte etwas Angsteinflößendes an sich. Sie war nicht auf die gleiche Art unheimlich wie diese Mädchen aus den Japanischen Horrorfilmen. Sie sah komplett normal aus. Wenn ich sie auf der Straße gesehen hätte, wäre ich einfach an ihr vorbeigelaufen. Doch was ich in ihren Augen sah erschreckte mich zutiefst. Von einer Klippe zu springen war beängstigend, trotzdem würde ich jederzeit von zwanzig weiteren, doppelt so hohen Klippen springen, wenn ich dadurch eine Minute, in der ich diesem Mädchen in ihre seelenlosen Augen blickte, vergessen könnte. Ich versuchte zu sprechen.
„Was für ein Spiel? Wer bist du?” Nuschelte ich.
„Wenn du verlierst, stirbst du.”
„Und wenn ich gewinne?“
„Dann stirbt er.“
Mein Herz rutschte mir bis zu dem Boden. Ich konnte nicht glauben, was sie da von sich gab, aber ich wusste, dass es die Wahrheit war.
„Was soll es denn sein?“ Lächelte sie.
„Weder noch.“ Ich weiß nicht, woher ich mir den Mut genommen hatte, dieser Ausgeburt der Hölle so eine Antwort zu geben, aber ich war schon zu weit gekommen um jetzt zuzulassen, dass David stirbt. Und wenn ich sterben sollte war alles umsonst. Nein, ich entschied mich für weder noch. Doch dann sah ich es. Den Grund, warum mir dieses Mädchen so eine Furcht einflößte. Sie war weit mehr als bloß ein kleines Kind. Während ich sie ansah, konnte ich noch etwas sehen, was ein großer Mann zu sein schien, mit behaartem Körper und dem Kopf eines Bocks. Es war ein fürchterlicher Anblick. Ich konnte nicht den einen ansehen, ohne gleichzeitig den anderen zu sehen. Das kleine Mädchen stand direkt vor mir, doch ich kannte ihre wahre Form. Es war der schlimmste Anblick aller Zeiten.
„Zu schade“, sagte sie und verschwand. Ich war wieder allein, in einem leeren und stillen Raum. Nur dass etwas hinzugefügt wurde. Ein kleiner Tisch erschien aus dem Nichts genau an der Stelle, wo das Mädchen gestanden hatte. Etwas lag darauf, aber von meinem derzeitigen Standpunkt aus konnte ich nicht erkennen, was es war. Ich ging zum Tisch und betrachtete den kleinen Gegenstand. Es war eine Klinge, wie man sie in einem Stanleymesser finden kann. Ich streckte meine Hand nach der Klinge aus, als ein lauter Schrei meiner Kehle entwich. Auf meiner Hand war etwas, was da nicht hingehörte, nie da war. Es sah aus, als wäre es in meine Haut eingebrannt gewesen, eine einsame Nummer 6. Ich schaute wieder zur Klinge und bemerkte den Zettel, der an ihr heftete:
Für Maggie – Vom Management
*dachte du könntest es brauchen*
Nachdem ich diese Nachricht gelesen hatte, fing ich an zu schluchzen. Tränen liefen in Bächen über mein Gesicht. Ich weinte so sehr wie noch nie in meinem ganzen Leben und ich glaube nicht, dass ich es jemals wieder tun werde. Ich fiel auf den Boden und legte meinen Kopf auf das harte Parkett. Stundenlang lag ich auf dem Boden und weinte. Dann hörte das Weinen auf und Depression nahm dessen Platz ein. Ich weiß nicht einmal, warum ich geweint hatte. Es war weder wegen David noch weil ich in diesem Raum stecken geblieben bin. Noch immer keine Türen, ich war weiterhin gefangen, aber das war nicht der Grund für meine Traurigkeit. Ich war in der tiefsten Depression, die überhaupt möglich war. Absolute und emotionslose Depression. Ich fühlte mich leer. Langsam erhob ich mich vom Boden und blieb vor dem Tisch stehen. Mein Blick fiel auf die Klinge und ich hob sie auf. Ich werde mich umbringen. Ich konnte es nicht mehr aushalten. Ich hatte die Nase voll. Wahrscheinlich war David ohnehin schon tot. Ich war hier gefangen. Es war vorbei. Ich presste die Klinge gegen meinen Unterarm, direkt über der 6, die auf meiner Haut aufgetaucht war. Ich fing wieder an zu schluchzen und stand einfach nur da, weinte mit der Klinge unter meinem Handgelenk. David war tot, ich würde es bald sein. Nichts war mehr von Bedeutung und mit einem tiefen Schnitt durchtrennte ich die Adern.
Einen Augenblick später befand ich mich nicht mehr im Zimmer Nummer 5. Ich war nicht tot, da war ich mir sicher. Die Depression war verschwunden, was nicht bedeutete, dass ich glücklich war. Tränen liefen mir immer noch über das Gesicht. Dieses Zimmer war komplett identisch mit dem vorigen und wieder einmal hatte es keine Türen. Ich konnte keine Lichtquelle ausmachen, trotzdem konnte ich alles sehen. Das Zimmer war komplett leer. Bevor ich Zeit hatte, um mir den nächsten Schritt zu überlegen, wurde es plötzlich dunkel. Außerdem war das Brummen wieder da. Ich hielt mir die Ohren zu, es war lauter als bisher. Es hörte sofort wieder auf und das Licht kehrte zurück, nur dass das Zimmer nicht mehr komplett leer war. Dann schrie ich. In der Mitte des Zimmers lag David, in Ketten gelegt und mit nacktem Oberkörper. Er sah aus, als wäre er gefoltert worden, die Brust und die Arme mit Messerstichen übersät.
„David!“ Ich rannte zu ihm so schnell ich konnte. Er war bewusstlos, an den Bewegungen seiner Brust konnte ich sehen, dass er atmete, aber er sprach nicht. Dann erkannte ich, was in seine Brust eingeätzt war. Die 7 starrte mich an, als hätte sie Augen.
Er versuchte zu sprechen. Ich beugte mich zu ihm runter.
„David! David, kannst Du mich hören?“
“Maggie… was machst… was machst du hier?” Seine Stimme war schwach, aber er sprach und ich war dankbar dafür.
„Ich versuche Dich zu retten, David. Wie bist du hierhergekommen?“ Die Ketten waren mit großen Vorhängeschlössern am Boden befestigt, sodass er nicht aufstehen konnte. Ich suchte das Zimmer nach einem Schlüssel ab, aber alles was ich in einer Ecke finden konnte war ein kleines Messer. Die Ketten waren viel zu massiv, um sie mit dem Messer beschädigen zu können, also tat ich es als unnütz ab. Ich ging zurück zu David. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick sterben. Dann vibrierte es in meiner Hosentasche. Ich holte mein Handy hervor und klappte es auf. Eine ungelesene Nachricht. Ich machte sie auf und las:
“Das bin nicht ich.”
Ich wusste nicht, was ich denken soll. David lag direkt vor mir, aber diese SMS kam von der gleichen Nummer wie die erste Nachricht, in der David das EndLose Haus erwähnt hatte.
„Maggie…“ Ich konnte seine Stimme klar mit meinen Ohren und meinem Verstand hören. Es kam mir vor, als kam seine Stimme aus allen Richtungen. „Maggie… Du musst weitermachen.“
„Wovon redest du? Wie?“ Ich saß direkt vor David und schaute ihn an, oder war er es doch nicht?
„Das Messer…“ mit einer schwachen Bewegung deutete er mit dem Kopf in die Ecke, wo das Messer am Boden lag. „Geh und hole es.“ Ich rannte los und war innerhalb von Sekunden wieder bei David, mit dem Messer in der Hand. Ich hatte keine Ahnung, was da vor sich ging, aber ich musste ihn retten und würde nichts unversucht-
„Und jetzt ramme es mir in die Brust.“
„.. was??” Ich war schockiert. David lag da und starrte mir in die Augen.
„Du musst das Messer in die 7 auf meiner Brust rammen. Das ist die einzige Möglichkeit, um uns beide zu retten.“
„Nein…“ Ich nahm etwas Abstand zu David. “Nein. Das was Du sagst macht keinen Sinn.”
„Maggie!“ Er schrie mich jetzt an, seine Augen waren wild. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem grässlichen Lächeln. „Erstich mich jetzt Maggie das ist der einzige Weg!“
Ich schaute auf das Messer in meiner Hand, mein Kopf fühlte sich an, als würde ihn jemand mit einem Baseballschläger bearbeiten. Ich war verwirrt. Ich machte meine Augen zu und fühlte das Messer in meiner Hand.
“MAGGIE!” Schreiend rammte ich das Messer in seine Brust. Ich weiß nicht, was über mich gekommen war, aber ich wusste, dass es der einzige Weg war.
Als ich die Augen öffnete, sah ich sein Gesicht. Er war entsetzt. Tränen liefen über seine Wangen und er schaute mir in die Augen.
„Warum… hast du… das getan..?“
Ich ließ mich nicht täuschen. Ich wusste, dass das nicht David war. Er konnte es nicht sein, denn sonst wäre ich nicht in der Lage gewesen, ihn zu erstechen. Nicht David, nicht David, nicht David. Er verdrehte seine Augen als ihn das Leben verließ, da veränderte sich alles. Die 7 verschwand von seiner Brust, das Blut lief in Strömen aus seinem Körper und bildete eine Lache vor mir. Die purpurne Flüssigkeit breitete sich schnell in alle Richtungen aus, bedeckte bald den kompletten Boden und ich begann darin zu versinken. Ich versuchte, mich zu bewegen, aber es war zwecklos. Es war wie Treibsand. Das Blut reichte mir jetzt bis zu den Knien. Je mehr ich strampelte, desto tiefer versank ich. Schon bis zur Brust. Ich kratzte an der Wand und versuchte mich rauszuziehen. Ich sah zu David, sein lebloses Gesicht schien mich anzulächeln. Das Blut erreichte mein Genick. Ich fühlte mich hilflos. Dann ging ich unter und die Dunkelheit kam.
Als ich aufwachte, befand ich mich nicht mehr im Haus. Ich konnte die kalte Erde unter mir spüren. Ich rollte mich auf den Rücken und sah hoch zum Nachthimmel. Das EndLose Haus war neben mir, genau wie mein Auto. Ich war mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll. Ich war draußen. Ich war draußen ich war draußen ich war draußen. Ich stand auf und klopfte mir den Staub aus den Klamotten. Auf dem kurzen Weg zum Auto zitterte ich und wurde stutzig. Keine Chance, dass ich entkommen bin. Das Haus würde mich nie gehen lassen. Etwas stimmte nicht. Ich wusste es. Ich wusste, dass es nicht David war, den ich im Zimmer Nummer 6 kaltblutig ermordet habe. Trotzdem konnte ich ihn nirgendwo finden. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und stellte fest, dass ich weiterhin Netz hatte. Ich klappte es auf und schrieb David eine sms.
„Wo bist du?“ Schon eine Sekunde später bekam ich die Antwort.
„Zimmer 10 du im 7 lauf“ und das ohrenbetäubende Brummen war wieder da.
Ich floh. Ich hatte keine Ahnung wo ich hin soll, aber ich wusste, dass ich nicht draußen war, sondern noch immer im Haus. Das Brummen erschütterte alles um mich herum. Es brachte den Baum und sogar die Luft zum Vibrieren. Ich musste jetzt unbedingt eine 8 finden. Das nächste Zimmer finden. Das war meine einzige Chance. Das Zimmer Nummer 8 finden. Die Zugänge zu den ersten Räumen waren normal, doch je weiter ich voranschritt, desto unklarer wurde es, wo die Zimmer anfingen und wo sie aufhörten. Ich hatte keine Ahnung, wonach ich suchen soll, also schaute ich mich nach allem um, dass mit einer Nummer bestückt war. Ich musste eine 8 finden ich musste eine 8 finden ich musste-
Eine neue sms.
„Deine Adresse“
Was zur Hölle meinte er damit? Meine Adresse? Ich steckte das Handy wieder ein, das Brummen wurde lauter und lauter. Da traf es mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Meine Adresse. Meine Adresse. Meine Adresse. Das kann nicht sein. Das kann nicht sein.
4896 Forest In.
Wohnung 8
Ich sprintete zu meinem Auto und riss die Tür auf. Das Brummen rüttelte an der Karosserie des Autos und schien mir hinein zu folgen. Ich fuhr los und machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung.
Das alles machte doch überhaupt keinen Sinn. Wie konnte Zimmer Nummer 8 meine Wohnung sein? Hätte ich der sms vielleicht doch nicht blindlings vertrauen dürfen? Sie war von David, das wusste ich einfach. Ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu trauen. Irgendwie schaffte ich es in einer sehr kurzen Zeit, zu meinem Wohngebäude zu kommen. Um ehrlich zu sein, konnte ich mich an die Fahrt überhaupt nicht erinnern. Es war, als wenn man gedankenverloren spazieren geht und sich plötzlich umschaut und fragt, wie man hierhergekommen ist. Ich sperrte das Auto nicht einmal ab, als ich ausstieg und zum Haupteingang lief. Ich musste den Schlüssel mit beiden Händen halten, um das Schlüsselloch zu treffen, dann sperrte ich das Tor auf und lief zum ersten Gang auf der linken Seite. Das Gebäude war riesig, aber meine Wohnung war eine der Ersten auf der linken Seite. Ich rannte so schnell ich konnte, passierte die 4, passierte die 5. Mein Kopf rauchte, ich hatte beinahe keine Kraft mehr. Passierte die 6. Je weiter ich vorankam, desto entfernter schien das Brummen zu sein. Als ich die 7 passierte, konnte ich es kaum noch hören. Als ich vor meiner Wohnung stehen blieb, war es absolut still. Ich blieb einfach da stehen, vor meiner Wohnungstür.
Die kleine, goldene 8 befand sich auf meiner Augenhöhe. Langsam ließ ich den Schlüssel in das Schloss hineingleiten, drehte ihn um und die Tür sprang auf als ich von einer Art Vakuum hineingesaugt wurde und die Tür hinter mir zuschlug.
Zimmer Nummer 8. Ich stand auf und sah mich um. Es sah genauso aus wie meine Wohnung. Hätte ich es nicht besser gewusst wäre ich überzeugt gewesen, daheim zu sein und dass die Hölle, durch die ich gegangen bin, nur ein Albtraum gewesen war. Ich dachte wieder an David und fragte mich, wie das Haus das Zimmer Nummer 8 für ihn aussehen ließ. Ich untersuchte die Räume. Es war alles genauso wie ich es verlassen hatte, bis zu den Resten des Chinesischen Essens, welche in der Küche neben der Spüle lagen. Ich schaute zu meinem Schreibtisch im Wohnzimmer. Mein Computer war noch immer an und das AIM-Chatfenster offen. Ich ging zu meinem Schreibtisch und setzte mich hin, las mich durch das Gespräch, dass ich mich Peter geführt hatte, durch. Alles war da, Wort für Wort. Das Haus wusste alles, ich hatte keine Ahnung, wie. Um ehrlich zu sein, versuchte ich mein Bestes, um nicht darüber nachzudenken, ich hätte die Antwort wahrscheinlich nicht wissen wollen. Ich wollte AIM ausschalten, aber es ging nicht. Ich drückte den Ausschaltknopf am PC. Nichts. Ich drückte Strg+Alt+Entf. Nichts. Ich versuchte, den Monitor auszuschalten. Nichts. Dann erschien Ein Pop-Up am Bildschirm. Es war ein Video-Chat. Ich schaute auf die Liste der im Chatraum befindlichen Personen und fand zwei Namen vor. Maggie und Management. Es war eine Live-Übertragung und alles was zu sehen war, war eine graue Wand. Dann erschien eine Nachricht vom Management.
„Hoffentlich hast du alles so vorgefunden, wie du es verlassen hast “
„Wer bist Du?“ antwortete ich.
„Genieße die Show ” Dann machte die Kamera einen Schwenk. Plötzlich fokussierte sie einen jungen, auf einem Operationstisch gefesselten Mann. Er war komplett nackt und schluchzte leise. Das Bild war nicht besonders gut, aber ich dachte, ich hätte den Mann am Operationstisch erkannt. Er war groß, hatte kurzes, braunes Haar und sehr blasse Haut.
„Das passiert mit den Leuten, die versuchen zu schummeln “
Da wurde mir klar, wer der junge Mann auf dem Operationstisch war. Es war Peter Terry und er war nicht allein.
Ich will an dieser Stelle nicht beschreiben, was ich auf dem Monitor gesehen hatte. Peters Schreie hatten nichts Menschliches an sich. Ich konnte nicht wegschauen. Ich wollte, aber ich denke, das Zimmer ließ es nicht zu. Peter ließ einen markerschütterten Schrei los, jedoch hörte ich diesen nicht durch die Lautsprecher, es kam aus meinem Zimmer. Das Herz rutschte mir in die Hose als ich mich umdrehte und in den Flur starrte. Ich stand auf, die Schreie wurden lauter, als ich mich dem Zimmer näherte. Ich erreichte die Tür und die Schreie wurden durch das Brummen ersetzt. Dieses Brummen. Es hatte mich die ganze Zeit verfolgt. Ich öffnete vorsichtig die Tür und sah, dass sich hinter meiner Tür das Zimmer vom Monitor befand. Da stand der Operationstisch, übersät mit undefinierbaren Überresten von Peter Terry. Sonst war niemand im Zimmer. Alle anderen waren verschwunden und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Das Management war hier bei mir, nur ein Zimmer von mir entfernt. Ich näherte mich dem Operationstisch, ein grauenhafter Gestank stieg mir in die Nase und ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht zu übergeben. Ich wusste, dass ich kurz vor dem Ende war. Es musste so sein. Ich schaute mich im Zimmer um. Irgendwo in diesem Raum befand sich der Eingang in das nächste Zimmer, ich musste ihn nur finden. Und da war er. Erstaunlicherweise war es diesmal leichter als gedacht. Auf der anderen Seite des Zimmers, wo eigentlich meine Badezimmertür hätte sein sollen, befand sich eine schlichte Tür aus Holz, gleich wie die Türen im Haus. Etwas Langes und Blutiges war an die Tür geheftet. Es waren die Eingeweide von Peter Terry und sie formten eine 9.
Peter tat mir leid, aber in dieser Nacht war ich schon durch die Hölle gegangen. Als ich am Operationstisch vorbeiging nahm ich ein langes Skalpell mit und würdigte die Leiche keines weiteren Blickes. Die letzte Tür befand sich vor mir und ich ging auf sie zu. Diese Nacht würde bald vorbei sein und ich werde dieses Haus mit David verlassen und alles aufhalten, was uns hier drin aufzuhalten versucht. Die Tür ließ sich leicht öffnen und als ich das nächste Zimmer betrat erkannte ich, was da auf mich wartete. Das Zimmer war leer, es ähnelte einem Wartezimmer beim Arzt. Entlang der Wand waren ein paar Sessel aufgereiht und im Korb in der Ecke befanden sich einige alte, verblichene Magazine. Gegenüber der Tür, durch welche ich den Raum betreten hatte, befand sich eine einzelne Tür. Mein Herz machte einen Aussetzer als ich gelesen hatte, was auf der Tür geschrieben stand. Es war keine Zahl, sondern ein einzelnes Wort.
MANAGEMENT
Ich umklammerte das Messer in meiner Hand.
„Also gut, dann bringe ich mal das hier zu Ende.“
Sie befanden sich auf der anderen Seite dieser Tür. Ich konnte es fühlen. David war auch bei ihnen. Das Brummen wurde lauter als je zuvor, ich konnte es in meinem Körper spüren. Es kam aus meinem Körper. Während ich mich der Tür näherte wurde es lauter und lauter und als ich meine Hand auf die Türklinke legte füllte es den ganzen Raum. Ich drückte die Türklinke nach unten und öffnete die Tür. Das Zimmer sah nicht so aus, wie ich es erwartet hatte. Es war die Lobby. Die gleiche Lobby, in der diese Hölle angefangen hatte. Nur dass diesmal jemand hinter der Rezeption stand. Mein Herz sprang mir beinahe aus der Brust, als ich ihn erkannt hatte. Es war Peter Terry.
„Hallo Maggie.“
„Peter?” Nein, das konnte nicht sein. „Wie? Was?”
„Wen hattest du erwartet?” Einen Geist? Satan? Ein verfluchtes, blondes Mädchen?” Er lächelte. Ich nicht.
„Was zum Teufel ist hier los?”
„Komm schon, Maggie. Denk‘ mal für zwei Sekunden nach. Wer hat David von diesem Platz erzählt?”
„Du… hast nicht…“
„Wer erzählte Dir von Davids Aufenthaltsort?“
„Verdammte ******* Peter Du warst sein Freund!“
„Es tut mir leid Maggie, aber so laufen hier die Geschäfte.“
„Wo ist er? WO IST ER?“
“Er ist mit uns im Haus, Maggie. Und er wird nirgendwohin gehen. Du übrigens auch nicht.“ Ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich rastete aus. Ich sprang über die Theke und warf Peter zu Boden. Ich schnappte ihn bei den Haaren und schleuderte seinen Kopf gegen den Parkettboden, das Skalpell in meiner anderen Hand presste ich gegen seinen Hals. Ich wollte ihn töten. Ich musste ihn töten. Er hat David getötet. Mich würde er nicht bekommen.
„Maggie, das kannst du nicht. Es wird immer jemanden geben, der sich um das Haus kümmert.“
„Nein.“ Ich schlitzte ihm die Kehle von einem Ohr bis zum anderen auf und schlug weiter mit seinem Kopf auf den Boden ein. „Das glaube ich nicht, Peter.“ Im Augenblick seines Todes wurde das ganze Zimmer schwarz. Ich konnte noch immer das Skalpell in meiner Hand fühlen, aber Peters Haare waren weg. Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser Dunkelheit war, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ich stand auf und griff nach dem Rezeptionstisch, orientierte mich an der marmornen Oberfläche, um wieder an die andere Seite zu kommen. Dann gingen die Lichter wieder an. Ich konnte die Fenster auf der anderen Seite der Lobby sehen, draußen war es noch immer dunkel. Ich sah nach draußen und sah ihn. David ging am Haus vorbei und er schien unverletzt zu sein. Ich lief zur Tür und griff nach der Türklinke. Ich war so glücklich, aber nur kurz. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Ich versuchte alles, vergebens. Ich schaute durch das Fenster und sah David, wie er die Straße entlangging. Als ich meinen Kopf gegen die Tür lehnte sah ich es. Mein Magen verkrampfte sich. Da, an meine Brust geheftet, befand sich ein Namensschild, auf dem ein einzelnes Wort stand:
MANAGEMENT
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Quelle:
http://frombriansdesk.blogspot.co.at/2012/01/noend-house-ii-maggie.html