6. Forscher schlagen Klima-Alarm für Europa
Stürme, Hochwasser, Dürren, Hitzewellen: Die Europäische Umweltagentur hat einen alarmierenden Bericht vorgelegt. Der Klimawandel wird Europa demnach in den kommenden Jahrzehnten extreme Wetterkapriolen bescheren.
Feuchteres Wetter in Nordeuropa, dafür trockeneres im Süden, häufigere und stärkere Hitzewellen und abschmelzende Gletscher sind nur einige der Folgeerscheinungen, die die Klimaexperten für Europa prognostizieren. "Dieser Bericht belegt mit einer Fülle von Fakten, dass die Klimaänderung bereits im Gange ist und weit reichende Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme in ganz Europa hat, häufig verbunden mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten", sagte Jacqueline McGlade, Exekutivdirektorin der Europäischen Umweltagentur (EUA).
Der Bericht, den die Agentur zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, dem Forschungszentrum Karlsruhe und der britischen Norwich University angefertigt hat, beschreibt die Folgen des Klimawandels anhand von 22 ausgewählten Indikatoren aus ökologischen und gesellschaftlichen Bereichen. Als Grundlage dienten langjährige Datenreihen aus mehreren europäischen Ländern und Computermodelle, die zukünftige Klimaveränderungen simulieren.
Vieles deute darauf hin, dass die globale Erwärmung in den vergangenen 50 Jahren zum größten Teil durch den Menschen verursacht worden sei. Der Bericht macht insbesondere den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verantwortlich. Die Konzentration von Kohlendioxid in der unteren Atmosphäre habe den höchsten Stand seit mindestens 420.000 Jahren - vielleicht sogar seit 20 Millionen Jahren - erreicht und liege 34 Prozent über dem Niveau vor Beginn der industriellen Revolution.
In Europa verlaufe die Erwärmung schneller als im weltweiten Durchschnitt, teilte die EUA mit. Der Temperaturanstieg betrug hier in den letzten 100 Jahren im Schnitt 0,95 Grad Celsius. Für dieses Jahrhundert rechne man sogar mit einem Anstieg von zwei bis sechs Grad, weil der Ausstoß von Treibhausgasen weiter zunehme.
Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des derzeitigen Klimawandels dürften alle natürlichen Klimaschwankungen der letzten 1000 Jahre und vielleicht darüber hinaus übertreffen, so die Experten. Die neunziger Jahre seien das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen, und die drei heißesten Jahre (1998, 2002 und 2003) hätten in den letzten sechs Jahren gelegen. Das Tempo der globalen Erwärmung habe jetzt fast 0,2 Grad pro Dekade erreicht.
Als aktuelle Folgen der Erwärmung nennt der Bericht die wetter- und klimabedingten Katastrophen, die sich in den neunziger Jahren gegenüber dem Jahrzehnt davor verdoppelt hätten. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Verluste hätten sich in den letzten 20 Jahren ebenfalls mehr als verdoppelt - auf fast neun Milliarden Euro jährlich.
Durch den Klimawandel ist in den vergangenen 30 Jahren die Zahl von Pflanzenarten in mehreren Teilen Europas zurückgegangen, wovon auch die Bergregionen betroffen sind, so der Bericht. Einige Pflanzen werden demnach wahrscheinlich aussterben, da weitere Faktoren, wie etwa die Zersplitterung von Lebensräumen, eine Anpassung an klimatische Veränderungen erschwerten. In acht von neun Gletscherregionen Europas ziehen sich dem Bericht zufolge die Eispanzer zurück. In den Schweizer Alpen würden bis 2050 vermutlich drei Viertel der Gletschermasse verschwunden sein.Der Meeresspiegel in den europäischen Gewässern sei im vergangenen Jahrhundert um 0,8 bis drei Millimeter pro Jahr angestiegen. Für dieses Jahrhundert rechnen die Forscher mit einer zwei- bis viermal höheren Geschwindigkeit.
Damit ist die Kette der düsteren Prognosen noch nicht zu Ende. Kalte Winter, so die EUA, könnten bis 2080 fast ganz verschwinden, heiße Sommer, Dürren und Perioden mit starken Regenfällen an Häufigkeit zunehmen. Auch Überschwemmungen und Hochwasser würden Europa öfter heimsuchen.
Doch die Klimaänderung scheine auch positive Auswirkungen zu haben: In den meisten Teilen Europas, vor allem in den mittleren Breiten und Nordeuropa, könnte die Landwirtschaft von einem begrenzten Temperaturanstieg profitieren. Während sich die in Europa bewirtschaftete Fläche möglicherweise nach Norden hin ausdehne, drohe der Landwirtschaft in einigen Gebieten Südeuropas Wasserknappheit. Häufigere Wetterextreme, vor allem Hitzewellen, könnten häufigere Missernten bedeuten.
quelle: Einsamer Schütze Newsletter